Lernprozesse benöten Zeit und wir helfen auch gerne nach.
Unsere Babys sollen sich gut entwickeln. Doch wo hört die Förderung auf und wann fängt die Überforderung an?
Sich drehen, krabbeln, gehen…auf der To do-Liste kleiner Babys stehen viele wichtige Posten, die es zu erlernen gilt. Und eifrige Eltern wollen gerne alles tun um den Lerntakt zu beschleunigen. Aber in wie weit ist es möglich Lernprozesse zu fördern? Und ist es überhaupt ratsam die Entwicklung unserer Kinder zu beschleunigen?
Falscher Stolz
Die meisten unter uns haben das Gerede unter Jungeltern schon mitbekommen. `Hat sich Leon schon auf dem Bauch gedreht?‘, `Lena kann schon ganz alleine sitzen‘, `Jakob ist schon selber gestanden. Er wird sicher vor seinem ersten Geburtstag alleine gehen können‘,`Kann Sophie noch immer nicht krabbeln?‘.
Wenn das eigene Kind nicht irgend etwas besonders früh erlernt hat, hält man in solchen Runden lieber den Mund und geht mit einem Klumpen im Magen nach Hause. Ist das eigene Schatzibuzi hinten nach in der Entwicklung? Müssen wir mehr trainieren?
Was ist normal?
Schon während der Schwangerschaft werden wir mit Normalkurven konfrontiert. Steigt unser Gewicht mehr oder weniger als bei der `Durchschnittsschwangeren‘? Sind die Werte unseres ungeborenen Kindes im Normalbereich, oder nicht? Wir brauchen diese Norm-Kurven um zu verhindern, dass medizinische Probleme übersehen werden, aber kleine Aussreisser aus der Norm brauchen nicht überinterpretiert zu werden.
Kinder folgen nicht exakt einer Norm. Es gibt keine allgemeingültige Statistiken an die wir uns lehnen können. Nur weil ein Baby früh zum Krabbeln anfängt, muss es nicht auch früh zum Gehen anfangen. Wenn es erst spät zu Sprechen anfängt, heißt das nicht, dass es sich mit dem Lesen schwer tun wird. Es macht daher gar keinen Sinn die Entwicklungskurven von Schulfreunden miteinander zu vergleichen.
Funktioniert Babytraining?
Einem Kleinkind kann man das Krabbeln nicht beibringen. Entweder kann es das motorisch schon oder nicht. Das Baby-Gehirn entwickelt sich die ganze Zeit aber wann die großen Entwicklungsschritte passieren, kann man nicht beeinflussen. Meistens werden solche Prozesse durch Frustationslaunen begleitet. Für die Erwachsenen können diese Phasen daher recht mühsam sein. Aber Frustrations-Gefühle sind wichtig für den inneren Antrieb und die Freude es am Ende doch und ganz allein geschafft zu haben bedeutet jedem Kind sehr viel.
Wann sollte man sich tatsächlich Sorgen machen?
Viele Eltern sind sehr beunruhigt was die Entwicklung ihrer Kinder angeht. Dabei ist diese Sorge ganz unbegründet. Wenn sie sich grundsätzlich wohl zu fühlen scheinen und ihre Entwicklung nicht längere Zeit stagniert, ist alles ok. Erst wenn es über einen längeren Zeitraum kaum Fortschritte macht oder plötzlich Dinge nicht mehr machen kann, die es davor schon konnte, erst dann sollte man Hilfe suchen.
Kann man das Baby also gar nicht fördern?
Babys können nicht gezielt zu Super-Babys gefördert werden. Das heißt aber nicht, dass sie keine anregende Umgebung brauchen. Schon ganz kleine Baby entwickeln sich kognitiv deutlich schneller, wenn sie viel Stimulanz ausgesetzt sind. Die Idee vom Baby, das nur mit der Mama als betreuende Person in einer möglichst ruhigen Umgebung leben sollte, entspricht nicht dem natürlichen Naturel eines kleinen Menschen. Damit ist nicht gemeint, dass das Kind ununterbrochen gefordert werden sollte, aber Babys sind von Geburt aus neugierig, sozial interessiert und profitieren von viel Abwechslung. Es wird oft von der Gefahr der `Reizüberflutung‘ gesprochen, als würde es sich um einen klinischen Begriff handeln. Dabei führt die Reizüberflutung höchstens zu Unruhe oder zu einem erschwerten Einschlafen am Abend und sollte nicht zum Vorwand genommen werden, das Kind nicht an seiner Umwelt teilhaben zu lassen.
Wann empfangen Babys am ehesten fördernde Stimulans?
Das Baby braucht funktionierende tragende Beziehungen zu Erwachsenen. Ein sozial nicht gut aufgehobenes besorgtes Kind wird den größten Teil seiner Energie daran verwenden, unsichere Beziehungen zu Erwachsenen zu festigen. Ist es sich einer aufmerksamen Haltung seiner Eltern nicht sicher, wird es dauernd nach ihnen Ausschau halten. Daher ist zum Beispiel eine Eingewöhnung in den Kindergarten während einer Fremdelphasen schwierig. Kinder, die grundsätzlich keine gute Bindung zu ihren Eltern haben, tun sich noch schwerer.
Ein Kind muss sich als Person von den Erwachsenen ernst genommen und geschätzt fühlen. Wenn es sich unter Druck gesetzt fühlt, wird sich oft sehr bemühen seine Eltern zufrieden zu stellen und dabei viele Anteile seiner Persönlichkeit zurückstecken und diese auch im Spiel nicht weiter erproben können.
Die besten Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung ist daher eine entspannte Umgebung ohne übertriebene Erwartungen.
Wo empfangen Babys viel fördernde Anregung?
Ganz kleine Babys brauchen viel Zeit am Boden in einer angenehmen Umgebung. Das bedeutet, Ausflüge und andere Aktivitäten sind wichtige Stimulationen, aber am Boden liegen, sollte auch immer wieder eingeplant werden. Wenn die Eltern das Bedürfniss nach sozialen Kontakten haben, können sie sich statt in einem Park mit Freunden in einer Wohung treffen. Die Babys liegen dann auf je einer Decke und die Eltern können daneben sitzen und plaudern. Die Babys sollten ausgeschlafen und satt sein, sonst wird es nicht gerne am Boden liegen.
Ein ganz wichtiger Platz für fördernde Anregung ist die Krippe. Das gilt auch für Babys. Sie lernen viel von anderen Babys. Sie spielen nicht miteinander, wie ältere Kinder, aber sie sind extrem am Tun des anderen interssiert. Kinder, die schon sehr früh in der Krippe waren, entwickeln sich kognitiv schneller und tun sich im ganzen späteren Leben leichter mit sozialen Kontakten und haben eine positivere Lebenseinstellung. Und darum geht‘s doch im Leben, oder? Frühförderung sollte also nicht als Sport gesehen werden, sondern zum Ziel haben die Persönlichkeitsentwicklung und Sozialität eines Menschens zu stützen.
4 Kommentare
Ich kann mich Kashia nur anschließen… man muss lernen das Messen unter Eltern zu ignorieren. Ein Baby sitzt schneller, ein anderes geht schneller, etc.
Ich denke gerade in der heutigen Zeit sollte ein Baby/Kleinkind die Zeit bekommen auch wirklich ein Baby/Kleinkind zu sein. Im späteren Leben wird sowieso schon genug verlangt – also sollte man den kleinen die Zeit nicht nehmen.
ich sage immer „gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“. und das ist bei babies ähnlich.
da helfen keine lauflernwagerl (die außerdem eine katastrophe für das knochengerüst und die senen des kindes sind), poohbären, die dem kind zeigen wie man krabbelt oder stoffhündchen die auf englisch bis 10 zählen.
die beste förderung ist meiner meinng nach der kontakt mit menschen, der kontakt zur natur und einfach „sein“ lassen- ausprobieren lassen.
sehr schöner artikel
Upps. Danke:-)
sich statt in einem park mit freunden im park zu treffen find ich super;) aber im ernst. ein sehr schöner artkel.