Das Meer und der Niedergang der Verlagsbranche

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Das Meer. Voll das Leben.

falsterbo strand

Wir fühlen uns perfekt wohl hier und Fritzi fängt zum ersten Mal an Schwedisch zu lernen. Erst wollte sie nicht und fing sogar zu weinen an, weil sie Angst hatte die Kassiererin zu fragen, wieviel etwas kostet. Dann sagten wir ihr, dass sie auf diesen Urlaub nur was kriegt, wenn sie diesen einen Satz anwendet: „Vad kostar det?“ (Was kostet das?) – den sie perfekt aussprechen konnte, aber eben nicht sagen wollte. Sie weigerte sich stur. Wir blieben auch stur und bestärkten sie gleichzeitig, weil sie wirklich akzentfrei alles schwedische nachsprechen kann.

göteborg

In diesem Trödelladen in Göteborg sprach Fritzi ihre ersten schwedischen Worte. Göteborg ist übrigens einer der nettesten Städte der Welt mit der wunderschönsten Küstenlandschaften

Zum Schluss brachte sie die Worte in einem kleinen Trödlerladen in Göteborg tatsächlich über die Lippen und war schrecklich glücklich danach und wollte nur mehr Schwedisch reden.

kex schokolade

Und so wenig kann mich glücklich machen: Kaffee, kleines Stück guter Schoko und ein wenig Meer.

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Ich lese ein Buch über die Verlagsfamilie Bonniers. Die sind so was wie ein Kultur-Königshaus in Schweden. Mächtig, reich und sagenumwoben. Seit 17hundert-irgendwas verlegen sie und übergeben die Geschäfte von einer Generation zur nächsten. Eines Tages wurde der unprätentiöse Lucke mit einem Geschäftsführerposten betraut. Statt Prosa brachte er Illustrierte auf den Markt – mit vielen Fotos, Kochrezepten und herzergreifenden Geschichten aus dem Leben von normalen Leuten – Dokusoaps auf Papier halt. Außerdem führte er ein, dass nicht mehr die RedakteurInnen und AutorInnen die bestbezahlten in der Hierarchie der Verlagsbranche waren, sondern die AnzeigenverkäuferInnen. Dann kamen die TechnikerInnen und dann erst die Redaktionsmitarbeiter. Denn die würden nur `spendieren, was die anderen mit harter Arbeit umgesetzt hatten´, meinte er. Die Kulturschickeria schrie auf und auch die SozialistInnen, die jedes Medium als Volkslehrmittel ansahen. Die Arbeiterklasse würde mit solchen Wochenzeitungen nur zum Divenkult und kurzweiliger Unterhaltung erzogen und nicht zum Nachdenken gebracht. Die Kulturschickeria sah den Niedergang und Ausverkauf der Verlagsbranche durch die Machtübernahme der Akquisiteure kommen. Nicht mehr der Inhalt zähle, sondern nur das Geld. Das alles spielte sich übrigens nicht aktuell sondern in den 30er Jahren ab. Dieselbe Diskussion wie heute. Und der Journalismusadel tut so, als wären die Zeitungen in den 70ern oder 80ern noch unabhängig gewesen und rein am hochstrebenden Inhalt interessiert. Wenn man auf die Gehaltschecks eines Armin Wolfs oder eines beliebigen langjährigen Mitarbeiters einer beliebigen österreichischen Tageszeitung schaut, sieht man, dass die für ihre `hochstrebenden´ Content jedenfalls fürstlich bezahlt werden. Da hat man natürlich was zu verlieren, wenn sich die Verhältnisse ändern. Das heißt, damals wie heute: Tageszeitungen wollten immer schon Geld verdienen und haben immer schon die meisten Inserate akquiriert, wenn sie Content produziert haben, der die Leute interessiert. Die JournalistInnen waren immer schon ein selbstverliebtes Völkchen, dass einen guten Status genießt und sich besser fühlt als der Rest der Welt. Auf jene, die das Geld heranschaffen (AkquisiteurInnen) – braucht man aber nicht herabzuschauen – vor allem nicht, wenn dieses Geld den eigenen Gehaltszettel finanziert. Die NormalbürgerInnen sind nicht so blöd, wie man glaubt. Wenn man ihnen Kultur einimpfen will, dann geht das aber nicht über die Sprache und Inhalte der Kulturschickeria oder des Journalismusadels. Ihre Codes sind schon besetzt und ihr Denken veraltet. Wenn der Untergang der Verlagsbranche verlautbart wird, kann man sich immer sicher sein, dass es vor allem um den Untergang von Vorteilen geht, die sich spezielle Klientels gesichert haben und um den Untergang eines Zeitgeists.

Was mich nun in Österreich interessiert: Hier verdienen gute AkquisiteurInnen auch viel Geld und das war schon immer so. Aber es gibt kaum mehr welche. Die meisten Tageszeitungen haben so gut wie keine Aquiseabteilung mehr. Obwohl die Aquise ihr ureigenstes Geschäft ist, das womit sie ihre Medien finanzieren sollten, existieren diese Abteilungen so gut wie gar nicht mehr. Trotzdem existieren diese Zeitungen. Wie geht sich das aus? Erhalten sie sich tatsächlich nur über Presseförderung und dem Werbebudgets von Parteien? Und wie sollen sich Medien weiterentwickeln, wenn sie so gut wie keine Inserate mehr verkaufen müssen? Dann müssen sie ja keine Qualität mehr bieten.

bücher lesen

Lenni ist zum Glück nicht gefährdet in die Kulturlosigkeit abzugleiten. Er liest wahnsinnig gerne noch richtige hochstrebende Bücher.

schwedische tageszeitung

Die schwedischen Tageszeitungen haben – nur nebenbei  – ein echt schönes Layout. Da kann sich Die Presse und der Der Standard was abschauen. So ein geordnetes, elegantes und vor allem übersichtliches Editorial Design! Ein ästhetischer Hochgenuss! 🙂

(Interessant auch die Schlagzeile: Es geht um ein dramatisches Ereignis – ein Kind flog mitsamt dem Kinderwagen (an dem es festgespannt war) in einen Fluss. Der Vater sprang nach und konnte den Wagen nicht hochziehen. Daraufhin sprangen noch ein Mann und eine Frau nach und konnten mit letzter Kraft den Kinderwagen bergen und das Kind wiederbeleben. Der Vater war so in Schock, dass er noch im Spital überzeugt war, dass das Kind tot war, obwohl ihm schon mehrere Leute gesagt hatten, dass es zu sich gekommen war. Also wirklich sehr dramatisch. Das bemerkenswerte an der Geschichte: Das alles passierte vor einem Jahr. Trotzdem titelt die größte schwedischen Tageszeitung mit dieser veralteten Story! Sie haben die Geschichte einfach noch einmal verbraten. Und das witzige daran: Es funktioniert. Man liest die Geschichte immer noch mit Spannung. Aber ziemlich frech!)

So und zum Abschluss hier noch das lustigste Bild der Reise bisher:

gegenwind

Wir nennen es „Gegenwind“.

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About Author

Patrice Fuchs ist 41 Jahre alt, betreibt in Wien ein Umstandsmoden- und ein Designgeschäft, eine Zeitung "Familie Rockt", eine Fernsehshow "Familie Rockt TV", dreht Dokumentationen und unterhält dieses Elternblogportal. Aja und Mama von drei Gschropen ist sie auch.

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