Schwedische Kinderbücher unterscheiden sich stark von österreichischen Kinderbüchern. Schwedische Kinderbücher sind aufs Leben zugeschnitten, während österreichische oft versuchen philosophisch oder phantasievoll zu sein oder sie beschreiben recht bieder die christliche Kernfamilie (Bitte, wir denken jetzt nicht an Christine Nöstlinger – deren Bücher alle längst vom ORF hätten verfilmt werden sollen!).
In Schweden erscheinen ca. 1500 Kinder- und Jugendbücher im Jahr. Das ist eine ganze Menge für ein Land mit nur ca. 9 Millionen Einwohner. Diese Bücher handeln natürlich von unterschiedlichsten Dingen. Psychische Krankheiten, Alkoholproblemen aber auch von Lebensumstellungen. Es gibt auch viele poetische Kinderbücher und solche mit archetypischen Inhalten, Trollen und Wichteln. Und man spielt auch gerne mit Sprache. Es gibt viele nett bebilderte und witzige Kinderreim-Bücher.
Typische schwedische Kinderbücher, kann man in Schweden auch im Supermarkt kaufen
Schwedische Kinderbücher übers Liebsein
In Österreich glaubt man, schwedische Kinderbücher handeln vor allem von Pipi Langstrumpf oder davon, dass Kinder ihre Freiheit brauchen. Aber sehr oft geht es um soziales Verhalten und Selbsteinsicht. Wenn es um Freiheit geht, geht es auch um Verantwortung. Diese vier Bücher heissen zum Beispiel von: „Ich bin tüchtig“, „Ich bin gross“, „Ich bin hilfsbereit“, „Ich bin glücklich“. Eine typisch schwedische Mischung. Man soll sich was zutrauen, man soll glücklich sein und das Leben nicht negativ sehen, sich freuen dass man gross und stark wird und man soll auch tüchtig und hilfsbereit sein.
Wenn man solche Bücher in Österreich rausgeben würde, würden sie als „moralisierend“, „pädagogisierend“ abgewertet und kritisiert. Man findet es lieblos und überstreng von Kindern zu erwarten, dass sie hilfsbereit und tüchtig sein sollen. Das würde zu hohem Leistungsdruck führen und es sei die Aufgabe der Erwachsenen hilfsbereit gegenüber den Kindern zu sein und nicht die Aufgabe der Kinder hilfsbereit gegenüber den Eltern oder anderen Menschen zu sein. Dem Kind wird durch diese „liebevolle“ Hinwendung ein besonderer Wert beigemessen. Wenn ein Kind nichts mühsames tun oder für andere verzichten muss, dann handele es sich um ein besonders geliebtes Kind.
Ein schwedisches Kinderbuch aus den 70er-Jahren über zwei Kinder die für die Eltern einkaufen gehen. Am Ende müssen sie die Differenz zwischen der zu bezahlenden Rechnung und dem tatsächlich in der Geldbörse vorhandenem Geld durch Aushilfstätigkeiten im Supermarkt einbringen.
Aus dem Kind wird einmal ein Erwachsener
Viele Eltern haben ein Idealkind im Kopf. Sie wollen ein glückliches Kind, das sich frei entfalten kann und ein starkes Ich entwickelt. Dieses Idealkind bleibt in der Vorstellung immer ein Kind. Diese Eltern stellen sich keinen Idealerwachsenen vor, zu dem das Kind heranwachsen soll. Denn wenn man will, dass das erwachsene Kind ein hilfsbereiter, besonnener Mensch wird, der die Herausforderungen des Lebens meistert und von anderen Menschen geliebt wird, dann muss man ihm schon als Kind beibringen, auch gerne für andere dazu sein, nicht nur den eigenen Vorteil zu sehen, schwierige Dinge ein zweites oder drittes Mal zu versuchen, auch wenn man keine Lust dazu hat und einen Spass daran zu haben Neues zu probieren. Wenn man dem Kind alles recht macht und kein soziales Verhalten abringt, dann wird es als Erwachsener nicht – wie manche glauben – diese empfangene Fürsorge an andere weitergeben, sondern weiterhin erwarten, dass alle ihm alles recht machen müssen. Natürlich lernt es in der Schule, dass die Welt so nicht läuft und es wird das zumindest teilweise akzeptieren, aber sein innerer Lebensplan wird daran festhalten, dass Glück in einer Umgebung zu finden ist, in der man das Zentrum der Aufmerksamkeit ist. Und das ist eine kalte einsame Position. Vor allem wenn niemand da ist, der einem alles nachtragen will. Und auch wenn das erwachsene Kind solche Menschen findet, wird es in solchen Beziehungen nicht die tiefe Liebe und Augenhöhe finden nach der es sich sehnt.
„Die tüchtige Annika“ handelt von einem kleinen Mädchen, das mithelfen will. Sie passt zum Beispiel auf eine Kuh auf, aber diese Aufgabe ist eigentlich zu schwer für sie. Daher helfen ihr die Wichteln beim tüchtig sein. Wichteln sind in schwedischen Sagen oft kleine Helfer in moralischen und tapferen Angelegenheiten. Wer sich bemüht und gutes tun will, bekommt Lob und Unterstützung durch die unsichtbaren kleinen Wesen.
Die Bundesheer-Eltern
Es gibt in Österreich auch viele Bundesheer-Erwachsenen, die von Kindern erwarten, dass sie sich unterordnen und durch jede kleine Frechheit des Kindes tief gekränkt ist. In so einer Familie wachst ein Kind humorbefreit und und düster auf.
Doch der Unterschied der Bundesheer-Eltern zu den Eltern, die keine Moralisierung wünschen und denen die Freiheit des Kindes und das gute Einvernehmen wichtig sind, ist kleiner als man denkt. Denn auch hier geht es um Gehorsam und Unterordnung – nur soll das Kind mit dieser auch einverstanden sein. Um das zu erreichen, wird es bedient und beschenkt, manipuliert und man „überredet“ es in aufgesetzt freundlichen Ton dazu sich nicht anders zu verhalten, als gewünscht.
Freier Wille
Doch dem Kind seinen freien Willen zu lassen, bedeutet in Wahrheit sehr oft, ihm Dinge vorzuschreiben. Diese Vorschriften müssen entweder zum Wohle aller sein, weil durch sie das Zusammenleben gerecht geordnet wird oder zum Vorteil des Kindes gereichen und auf die höheren Erfahrungswerte der Erwachsenen basieren. Dem Kind wird erklärt, warum die Regel Sinn macht und dann setzt man die Regel bewusst gegen den Wunsch des Kindes durch und gewährleistet dadurch seinen freien Willen. Hört sich unlogisch an, ist aber logisch. Dem Kind bleibt nämlich überlassen, weiterhin Missfallen über die Regel zu empfinden. Es muss seine Gefühle nicht verdrängen oder tabuisiert. Es ist in Ordnung, nicht alles was die Eltern durchsetzen, angenehm zu finden. Man darf auch mal eine Wut auf die Eltern haben. Wer damit nicht leben kann, nimmt dem Kind seine Authentizität. Es ist viel schlimmer, das Kind gegen seine tatsächliche Gefühlslage zu drängen sich in allen Punkten mit den Eltern zu einigen, als manchmal über seinen Kopf hinweg zu entscheiden aber gleichzeitig zuzulassen, dass es beleidigt oder wütend darüber ist.
„Werde ein guter Freund“ – Was tu ich, wenn ein Freund mich versucht zu etwas zu drängen, was ich nicht will? Wie gehe ich mit meiner Eifersucht um, wenn meine Freundin sich mit wem anderen gut versteht? Was macht einen guten FreundIn aus? Was tue ich, wenn ich einen guten FreundIn verliere? Wie verhalte ich mich, damit ich FreundInnen finde? Eine sehr psychologische Anleitung über Freundschaft für Kinder.
Schimpfen, diskutieren und erklären
In Schweden hört man in Bussen und Spielplätzen regelmässig Gespräche zwischen Eltern und Kindern, in denen es darum geht, dass die Kinder Rücksicht nehmen, anderen Kindern was abgeben, mithelfen, nicht durch Trotz und Schreiereien andere unter Druck setzen sollen. Sie appellieren an ihnen, sich in die Situation der anderen reinzuversetzen und Freundlichkeit als Wert anzusehen. Sie lassen nicht locker, nur weil das Kind kurz und genervt: „Ja, Mama!“ sagt oder „Okay. Kann ich jetzt wieder Handy spielen, Papa?“ sagt. Solche Gespräche sind ernste Auseinandersetzungen. Die Eltern setzen sich wirklich mit ihren Kindern auseinander. Sie trauen ihnen was zu und sie geben viel ihrer Energie her um das Kind dazu zu bringen Selbstdistanz zu lernen. Sie sollen es „aushalten lernen“ nicht immer an erster Stelle zu stehen. Sie sollen sehen, dass man daran nicht stirbt und es im Gegenteil Freude macht, anderen eine Freude zu machen.
Das gehört in Schweden zur Alltagspädagogik und das ist die Basis dafür, dass Kinder sich gleichzeitig sehr viel mehr ausleben dürfen und eine wichtigere Position in der Gesellschaft haben. Man findet es sehr wichtig, dass Kinder sich sozial verhalten und genauso wichtig findet man es, dass sich die Gesellschaft sozial gegenüber Kindern verhält. Schwedische Kinderbücher spiegeln das wieder.