Monika Weber spricht über Tattoos und Schwangerschaft. Die Tochter des Drahdiwaberl-Frontmanns Stefan Weber im Gespräch
Hast du den Eindruck, dass tätowierte Mütter immer mehr werden oder gilt es immer noch als Ausnahme?
Sich tätowieren zu lassen, hat heute keinen subversiven Beigeschmack mehr und auch Tattoo-Studios befinden sich nicht mehr in versteckten Kellerlokalen sondern sind zu angesagten Treffpunkten für Menschen aus allen Gesellschaftsschichten geworden. Für jeden gibt es das passende Motiv. Violinisten lassen sich Violinnoten auf den Oberarm, Hautärztinnen kleine Pflasterchen und Bankangestellte Dollarnoten unter die Haut stechen. Und auch zahlreiche Mütter und Väter folgen dem Beispiel Johnny Depps und lassen sich die Namen ihrer Kinder tätowieren. Manche Frauen denken schon während der Schwangerschaft über ein Tattoo nach. Und neun Monate sind eine gute Bedenkzeit, meint auch Tätowierkünstlerin Monika Weber. Im Vergleich zu Italien oder Griechenland, wo ich oft bin, sieht man in Österreich wesentlich mehr tätowierte Frauen und in weiterer Folge dann auch Mütter.
Monika Weber zählt zu den wenigen Frauen in der immer noch sehr männerdominierten Tattoobranche. Wer sich bei der Tochter des bekannten Drahdiwaberl Frontmannes, Stefan Weber, tätowieren lassen will, ist in guten Händen.
Du tätowierst ja schon seit 13 Jahren. Hast du da schon einmal eine Schwangere tätowiert?
Nein, wissentlich nicht. Die Leute müssen bei mir ja vor dem Tätowieren eine Einverständniserklärung unterschreiben und da wird eine Schwangerschaft abgeklärt. Wissentlich würde ich es nicht machen, weil man den Körper in dieser Zeit nicht zusätzlich so belasten sollte.
Warum macht man es nicht bzw. wird es von seriösen Studios nicht gemacht?
Das Tätowieren geht irrsinnig auf den Kreislauf. Die Leute fallen teilweise sogar in Ohnmacht. Und so eine Ohnmacht ist für eine Schwangere nicht grad toll. Wenn man unwissentlich schwanger ist und sich etwas Kleines wie einen Buchstaben oder ein kleines Zeichen tätowieren lässt, ist es an und für sich nicht so ein großes Problem. Etwas Größeres ist dann doch viel anstrengender für den Körper. Es schwellen beim Tätowieren und danach die Lymphknoten sehr an, weil sie die Farbe, die in den Blutkreislauf gelangt, aufnehmen. Der Körper muss einfach diese Farbe verarbeiten und diese körperliche Anstrengung ist in der Schwangerschaft nicht so optimal. Man ist in der Schwangerschaft ja generell empfindlicher.
Wie glaubst du werden Tattoos und tätowierte Mütter von der Gesellschaft in Österreich aufgenommen?
Allgemein kann ich sagen, dass der Mut zu größeren und/oder ausgefallenen Tattoos sehr steigt. Damit meine ich vor allem exponierte Stellen wie zB. Arme oder Hals. Als ich vor mehr als zwölf Jahren mit dem Tätowieren begonnen habe, war es schon ein Kriterium das Tattoo vor der Öffentlichkeit verstecken zu können. Da waren vor allem Stellen wie Knöchel oder Schulterblatt beliebt. Heute wollen die Leute ihr Tattoo vor allem auch herzeigen und viele beginnen gleich mit einem großen Motiv auf dem Unterarm oder Stellen, die schon sehr sichtbar sind. ‚
Eines der Hauptargumente gegen ein Tattoo in der Schwangerschaft ist das Infektionsrisiko. Ist hier die Angst vor dem Risiko größer als das Risiko selbst?
Die Angst ist vollkommen unbegründet. Ich nehme an, die Leute haben Bedenken, weil man in der Schwangerschaft empfindlicher ist. Grundsätzlich ist es so, dass wenn man schon leicht verkühlt zum Tattootermin kommt und dann eine fünfstündige Sitzung hinter sich bringt, man mit Sicherheit am nächsten Tag krank ist. Der permanente Schmerz ist schon relativ anstrengend, aber das Infektionsrisiko ist nicht mehr gegeben. Jedes Portalgeschäft in Österreich wird ja sehr streng kontrolliert. Es hat sich auch im Tattoo-Equipment-Bereich sehr viel getan. Jedes Studio hat natürlich noch einen Sterilisator, aber verwendet werden nur mehr Einwegutensilien. Alles was verwendet wird wird, genau so wie die Spritze beim Arzt, nach Gebrauch sofort entsorgt. Die Farbflaschen kommen nie in Kontakt mit dem Kunden.
Gibt es spezielle Farben für Allergiker bzw. Menschen mit sensibler Haut?
Die zugelassenen Farben sind natürlich alle allergiegetestet. Leider gibt es vereinzelt Fälle in denen der Heilungsprozess gewisser Farben länger dauert. Damit meine ich vor allem Reaktionen in Verbindung mit Sonnenlicht oder Kälte, keine allergischen Reaktionen. Früher war die Farbe Rot noch problematisch, weil damals noch bestimmte Metalle drin waren die von der Haut nicht gut vertragen worden sind. Mit den modernen Farben gibt es aber so gut wie keine Probleme.
Viele Frauen wollen sich während ihrer Schwangerschaft nicht die Haare färben. Wie schädlich glaubst du sind Tätowierfarben im Vergleich zu handelsüblichen Haarfärbemitteln?
Ich habe von einem Arzt einmal erfahren, dass die Lymphknoten, die in der Nähe des Tattoos sind, sich grün färben, weil sie sich mit der Tattoofarbe vollsaugen. Die Farbe ist schon eine starke Belastung für den Körper wobei sich das auch mit der Größe des Tattoos relativiert. Je größer, desto mehr Farbe dringt ein. Ich denke, dass ein Tattoo für den Körper wesentlich belastender ist als Haarfarbe.
Kann ein bereits vorhandenes Tattoo während der Schwangerschaft und/oder der Geburt zu Problemen führen?
In der Beziehung ist es mit dem Piercingsschmuck heutzutage schon schwieriger. Neben den normalen Piercings gibt es ja immer mehr Dermalanker die man nicht so einfach herausnehmen kann.Durch die hormonelle Umstellung in der Schwangerschaft kann es auch sein, dass man vermehrt Pickel oder Hautunreinheiten bekommt die dann für das Tattoo zum Problem werden können.
Man liest immer wieder von Fällen in denen Frauen, die ein großflächiges Tattoo am Rücken oder an der Wirbelsäule haben, bei der Geburt keinen Kreuzstich/keine PDA (Periduralanästhesie) bekommen. Angeblich wegen den Farbpigmenten in der Kanüle bzw. allfälligen Verlagerungen von Pigmenten im Wirbelkanal.
Das ist meiner Meinung nach lächerlich. Mit Ärzten ist das schwierig. Meine Kollegin ist an beiden Armen und am Dekolltee sehr stark tätowiert und hat mit einer starken Pollenallergie zu kämpfen. Von ihrer Hautärztin bekommt sie immer zu hören, dass es ja kein Wunder sei aufgrund der vielen Tattoos. Auf der anderen Seite habe ich selbst eine Hautärztin als Kundin die dem Ganzen einfach locker gegenübersteht, weil es da überhaupt keinen Zusammenhang gibt.
Vorurteile gibt es also immer noch?
Ja, ich habe schon oft gehört und auch die Erfahrung gemacht, dass Leute mit Tätowierungen von Ärzten unfreundlich behandelt werden. Eine Kundin ist einmal wegen einer Kaiserschnittnarben-Korrektur zu mir gekommen. In dem Fall war das wirklich eine große Narbe und sie war echt verzweifelt. Sie hatte ihren Arzt gefragt, was sie denn jetzt am besten machen soll und der Arzt hat ihr nur geraten, sich doch einfach die Schamhaare darüber wachsen zu lassen.
Wie lange soll eine Schwangere nach der Geburt oder nach dem Stillen warten bis ein Tattoo unbedenklich machbar ist?
Sobald man aufhört zu stillen, kann man schon wieder tätowieren gehen.
Was kann man tun, wenn ein Tattoo am Bauch, an der Brust oder an den Oberschenkeln nach der Schwangerschaft die Form verloren hat, sich verzogen hat oder durch Schwangerschaftsstreifen nicht mehr schön aussieht?
Ein Tattoo auf dem Bauch weitet sich in der Schwangerschaft ja wie ein Ballon aus. Generell kann man aber nicht sagen, dass alle Tattoos dadurch oder durch Schwangerschaftsstreifen zerstört werden. Farbflächen sind besonders sensibel, da erscheint schon Mal eine ursprünglich schwarze Fläche nach der Schwangerschaft fleckig und grau. Es kommt aber auch darauf an wie viel Gewicht man zunimmt. Wenn die Figur nach der Schwangerschaft in etwa so wie davor ist, dann ist eine ‚Reparatur‘ nicht dramatisch. Sollte das Tattoo dennoch zerreißen, muss man es schon nachstechen. Bei argen Rissen ist es aber oft schwierig, weil man in dieses zerstörte Gewebe fast keine feinen Schattierungen mehr machen kann. Das Gewebe hält die Farbe nicht mehr richtig und sie verschwimmt unter der Haut. Schwangerschaftsstreifen sind ja wie Narben. In dem Fall muss man schauen, ob und wie man das lösen kann. Vielleicht mit einem einfacheren Motiv verdecken oder so.
Rätst du Frauen, die ein Tattoo auf dem Bauch oder Oberschenkeln haben wollen dazu, es nicht zu machen, weil es sich durch eine Schwangerschaft möglicherweise verziehen könnte?
Viele junge Frauen denken gar nicht ans Kinderkriegen und die die es vorhaben, rechnen ja selten damit, dass sie in der Schwangerschaft mehr als 10 kg zunehmen. Genauso wenig damit, dass ihr Tattoo nachher nicht mehr schön aussieht. Es fragen mich aber schon viele Frauen, wie sich ihr Tattoo in der Schwangerschaft verändern könnte. Ist oft schwierig zu sagen. Aber wenn eine Frau zu mir kommt und mir sagt, dass sie schon Diäten hinter sich hat die das Gewebe strapaziert haben oder sie vielleicht zum Zunehmen neigt, dann rate ich schon eher von heiklen Stellen ab.
Hast du oft Kundinnen, die ihr Tattoo nach einer Schwangerschaft bei dir ‚reparieren‘ lassen?
Ja, ich mache oft Narbengewebekorrekturen, Narbenabdeckungen und Korrekturen von Kaiserschnittnarben. Bei Kaiserschnittnarben bieten sich vor allem symmetrische Motive und Ornamente an. Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass Tattoos generell so anfällig sind. Die halten relativ viel aus. Sogar Schürfwunden. Kleine Kratzer (zB. von Katzen) oder auch kleine Verletzungen heilen ab, ohne dass das Tattoo beschädigt wird. Problematisch sind nur tiefere Schnitte oder ärgere Wunden durch diverse Unfälle. Das kann aber am ganzen Körper passieren.
Ist es in sich den Namen der Kinder oder ähnliches zu tätowieren?
Ja, das kommt schon oft vor. Vor allem Kinderportraits. Diese Baby-Protraits sind im Vergleich zu Portraits von Erwachsenen wesentlich schwieriger zu machen. Bei Babies ist es vor allem schwer eine Ähnlichkeit zum Original zu erzeugen, weil die Gesichtszüge noch so zart sind.
Was ist auf diesem Gebiet zurzeit der Renner?
Es gibt da so Trendbewegungen. Damals als ich angefangen habe, gab es die typischen Klassiker wie Rosen, kleine Teufelchen mit Windelhose und Delphine. (Anm. der Redaktion: der Delphin von Stefan Petzner ist nicht von Monika) Dann sind die Steißbeintribals, oder die Arschgeweihe wie sie unglücklicherweise jetzt genannt werden, und die Sterne gekommen. Jetzt werden aber wieder sehr viele Schriften gemacht. Vor allem die Chicano-Schriften, die an die Tattoos der südamerikanischen Gangs angelehnt sind, sind total gefragt. Die sind verschnörkelt und man kann nicht auf den ersten Blick lesen welcher Name es ist. Bei mir lassen sich die Leute teilweise die Namen des Partners tätowieren, aber viele haben da mittlerweile schon Skrupel. Ein Renner sind die Namen der Kinder oder auch deren Geburtsdaten.
Lassen sich vor allem die Väter Baby-Tattoos machen, oder sind es auch die Mütter?
Es sind auch die Mütter und oft lassen sich sogar beide Elternteile das gleiche tätowieren. Am häufigsten sind Namen in Kombination mit einem Bild wie zB. einem Herz. Ich hatte einmal eine Kundin mit zwei Kindern. Die hat sich auf den einen Oberarm die Lieblingsspielsachen ihres Sohnes und auf den anderen die ihrer Tochter tätowieren lassen. Das waren so süße Sachen wie ein Drache, ein Stoffhäschen und eine Gitarre und Ähnliches.
Beim dritten Kind wird es dann schon schwierig.
(lacht) Das weiß ich nicht! Aber ja, da müsste man dann schon auch fair bleiben.
Gibt es eigentlich bestimmte Frauen- und Männerstile?
Man kann da nicht unbedingt eine Grenze setzen, aber Männer lassen sich öfter Horrormotive oder Fratzen tätowieren. Ich persönlich bin mit diesen Motiven ehrlich gesagt ein bisschen überfordert, weil ich sie so gut wie nie mache. Bei mir lassen sich die Leute vor allem süße und liebliche Motive stechen. Ja, da gibt es schon Tendenzen, wobei unlängst habe ich einem Mann sogar eine Hello Kitty tätowiert.
Was wäre, wenn du dir unbedingt ein Motiv tätowieren lassen wolltest und dann kriegst du mit, dass du schwanger bist?
Ich hab mal ein halbes Jahr auf einen Tatootermin warten müssen und ich muss sagen, danach war ich froh, dass es so lange gedauert hat! Denn inzwischen hatte ich mich wieder geändert und würde mich heute noch über das Motiv ärgern das ich mir zuerst stechen lassen wollte. Neun Monate können eine ganz gute Bedenkzeit sein.
Ist deine Mutter tätowiert?
Ja, die hat eine kleine Sonne von mir am Nacken. Vorher war sie nicht tätowiert. Früher war das noch nicht so etabliert. Genau wie mein Vater, der ein Che Guevara-Portrait hat, musste sie zu meiner Anfangszeit als Versuchskaninchen herhalten. Eh klar. Wer will sich schon von einem Anfänger tätowieren lassen?
Du entwirfst ja auch Mode für dein Label Drunken Sailor. Könntest du dir vorstellen auch etwas für Schwangere oder Babies zu machen?
Ja, ich hatte einmal eine Kundin die im 7. Monat schwanger war und eines meiner Kleider getragen hat. Das war so eines das unter der Brust abgenäht ist und nach unten sehr weit fällt. Das hat ihr aber super gepasst. An und für sich kann man diese Kleider im 50er Jahre-Stil eh auch als Schwangere tragen.
Wie hat sich deiner Meinung nach das Mutterbild in den letzten Jahrzehnten verändert?
Also im Vergleich zu den 50er Jahren hat sich auf alle Fälle etwas verändert. Die Mütter werden cooler!