Lydia Prenner Kasper über Familienchaos, Emanzipation und Kindheit in Favoriten.
Lydia Prenner Kasper wurde 2011 zur österreichischen Nachwuchskabarettistin gewählt, und kam bei der Großen Chance mit Sidos Gnaden ins Finale. Damit brach für die dreifache Mama ein neuer Lebensabschnitt an. Denn eigentlich hatten ihre Eltern gedacht, dass Lydia Kipferlbiegerin in der nahegelegenen Ankerbrotfabrik werden sollte. Sie war zwar schon als Kind eine richtige Rampensau, aber die Eltern gingen nicht davon aus, dass man daraus auch einen Beruf machen könnte. Statt dessen absolvierte Lydia die Lehre zur Bürokauffrau und später zur Sozialpädagogin. Dass das Arbeiterkind aus Favoriten am Ende tatsächlich den Weg vom Büro auf die Bühne finden würde, zeigt dass unser aller Lebensweg doch nicht so einzementiert ist.
Familie Rockt: Liebe Lydia Prenner Kasper! Redsd du gern schirch?
Lydia Prenner Kasper: Ich hab definitiv einen Hang zu Kraftausdrücken, weil sie inneren Befindlichkeiten auf verbaler Ebene oft am effizientesten Kraft verleihen und ein fantastisches Ventil sind. Wenn ich mir die kleine Zehe anhau oder mir ein Glas in 1000 Scherben zerbricht, reicht ein Na geh! nicht aus, da ist Scheiße, Oarsch oder Fuck einfach deutlich heilsamer! Vom Autofahren reden wir hier noch gar nicht…
Wie würdest du deine Mama und deinen Papa charakterisieren?
Lydia Prenner Kasper: Beide lieben mich abgöttisch und haben mir ihren Humor und ihre Geselligkeit vererbt! Und ohne meine Mamsch, die regelmäßig ihre zwei Hände, ihr Hirn und ihre Zeit in unser Familienchaos steckt, wär das Leben nur halb so lässig!
Wie ist deine früheste Kindheitserinnerung?
Lydia Prenner Kasper: Ich sitze auf einem Zahnarztstuhl mit drei Jahren und presse die Lippen ganz fest aufeinander. Die Zahnärztin versucht, gespielt-freundlich eigennützige Deals mit mir abzuschließen, damit ich den Mund endlich aufmache. Als ich mich abermals weigere und wir nicht ins Geschäft kommen, sagt sie streng: „Mach jetzt den Mund auf, sonst muss die Mutti rausgehen!“ – Daraufhin hab ich ihr eine geschmiert. Wir haben dann die Zahnärztin gewechselt…
Kindheit in Favoriten. Im Gemeindebau. Wie sahen Freundschaften aus? Wo und wie seid ihr abgehangen?
Lydia Prenner Kasper: Viele feine Erinnerungen! Liebe Freunde in nächster Nähe, mit denen wir in unseren Wohnungen, im Stiegenhaus, oder im Hof allerlei Lustiges angestellt haben. Aus dem zweiten Stock kaltes Wasser auf ahnungslose Passanten runtergeleert, eine Leberkäsesemmel täglich um halb Acht in der Früh auf dem Schulweg geteilt, die Proletenmütter beim aus dem Fenster Schreien nachgeahmt: „Kreu ausse ausm Dreck, Jessica, du Krätzn, wie schaust scho wieda aus?!“, uns gegenseitig mit der Kinderschere die Haare geschnitten weil am nächsten Tag Fotografentermin im Kindergarten war (unsere Mütter sind halb ausgezuckt), einen nicht gelungenen Palatschinkenteig-Erstversuch statt ins Klo aus dem Fenster in den Hof geleert,…schön war das!
Du hast drei Geburten hinter dir. Welche war die Schönste?
Lydia Prenner Kasper: Alle drei waren auf ihre ganz besondere Weise in gleichem Maße schön. Die ersten beiden Kinder habe ich in acht bzw. sechs Stunden unter Periduralanästhesie entbunden, es waren einander sehr ähnliche, ruhige, kontrollierte und wunderschöne Geburten. Beim dritten Kind wollte ich (wie schon beim Zweiten, wo ich’s dann aber nicht durchgehalten hab) ohne PDA entbinden, es ging aber eh alles so schnell, dass sich die Frage gar nicht gestellt hat. Nach eineinhalb Stunden Wehen veratmen bin ich dann urplötzlich binnen einer Minute von sieben auf zehn Zentimeter Muttermundöffnung aufgesprungen, hab mich eine Oktave höher schreien gehört, zweimal gepresst und sie war da. Die Hebamme war noch nicht mal umgezogen. Im Nachhinein hat sie mich ganz behutsam gefragt, ob ich mich eh nicht zu sehr von dieser schnellen Geburt überrollt gefühlt hab und ich hab nur gesagt: „Um Gottes Willen, nein, ich war heilfroh, dass dieser depperte Wehenschmerz vorbei war!“ So eine Erleichterung hab ich noch nie vorher in meinem Leben gespürt, das war wirklich überwältigend und hat meine Gesamt-Geburtserfahrung fein abgerundet!
Gibt es überhaupt schöne Geburten?
Lydia Prenner Kasper: Im Nachhinein schon! Beim ersten Kind war ich aber kurz darüber schockiert, was man seinem Körper alles antun muss, um Mutter zu werden. Wenn sich die Genitalien nachgeburtlich anfühlen, als hätt der Obelix mit dem Hinkelstein draufg’haut, fragt man sich schon, was man verbrochen hat.
War dein Mann dabei?
Lydia Prenner Kasper: Ja, beim Input und beim Output!
Waren die Schwangerschaften unterschiedlich?
Lydia Prenner Kasper: Eigentlich waren alle drei relativ gleich unkompliziert, allerdings fragt natürlich bei der zweiten und dritten Schwangerschaft niemand mehr, ob du dich müde fühlst, du hast trotzdem volles Programm. Ich hab mich aber mit jeder Schwangerschaft robuster gefühlt. Noch eine und ich bin Miss Unverwundbar!
Bist du gerne schwanger?
Lydia Prenner Kasper: Ja, sehr! Die letzten drei Wochen Pottwal-Feeling fand ich aber jedesmal überaus entbehrlich…
Warum drei Kinder?
Lydia Prenner Kasper: Uns haben die ersten beiden Geschlechtsverkehre so gut gefallen, da hamma g’sagt, das mach ma nochamal! In Wahrheit deshalb, weil ich beim dritten Kind unter falscher Zykluslängen-Annahme meine fruchtbaren Tage kalkuliert habe – Mathematik war nie meins… Emma war aber mein bisher schönster Rechenfehler!
Wie heißen eure Kinder, und wie seid ihr auf die Namen gekommen?
Lydia Prenner Kasper: Unsere Älteste heißt Olivia, die Mittlere Valentina und die kleinste heißt Emma. Alle Namen sind haupt-
sächlich deshalb gewählt worden, weil wir niemanden mit diesen Namen kennen, der uns unsympathisch ist. Uns ist allerdings bei der Namenssuche erst bewusst geworden, wie viele unsympathische Menschen es gibt! Beim letzten Kind wars deshalb ein Name mit E, weil wir draufgekommen sind, dass die Anfangsbuchstaben aller weiblichen Familienmitglieder in der Altersreihenfolge dann das Wort LOVE ergeben, mit dem Reini hintendran sind wir dann LOVER – also falls wir mal eine Band gründen, den Namen hätten wir schon.
Viele Frauen fürchten sich sehr davor, ihre Figur nach der Schwangerschaft zu verlieren. Wie gehst du mit dem Thema um?
Lydia Prenner Kasper: Ich hatte nicht viel zu verlieren, mein G’stell war immer eher durchschnittlich. Aber „Wer frisst wird blad“ gilt auch in der Schwangerschaft, das Risiko ist ja bekannt. Ich hab bei allen drei Kindern 13 Kilo zugenommen und glücklicherweise haben meine Kinder der Milchbar immer verlässlich die Substanz entzogen, sodass ich nach einem halben Jahr immer die Alte war. Nur mein Nabel ist subjektiv gesehen mit jeder Schwangerschaft etwas weiter Richtung Brust gewandert…
Wie ist das bei euch daheim mit den Haushaltspflichten? Wer macht was?
Lydia Prenner Kasper: Beide machen alles zu 50 %. Also beide sind zu 50 % für Einkommen und zu 50 % für Kinder und Haushalt zuständig. Das nimmt uns beiden viel Druck, bringt uns maximale Familienzeit, gibt beiden die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und stellt alles auf sicherere Beine, wenn einen von uns überraschend der Quiqui holt. Überaus empfehlenswert, setzt aber voraus, dass sich jeder für keine Arbeit zu schade ist.
Sind Eltern von heute zu zimperlich mit ihren Kindern?
Lydia Prenner Kasper: Das kann man glaub ich nicht verallgemeinern. Was ich ganz schlecht aushalte ist, wenn Eltern ihren Kindern nicht zutrauen, mit unangenehmen Situationen, Herausforderungen oder Grenzsetzungen klarzukommen und sich bei jeder dieser Situationen davor fürchten, dass ihr Hascherl ein Kindheitstrauma davonträgt. Das macht mich grantig, weil diese Eltern ihren Kindern aus eigener unreflektierter Geschichte heraus alles abnehmen und ihnen damit den wichtigsten Lernprozess verbauen, nämlich zu lernen, dass sie selbstständig mit dem Leben klarkommen können. Aus Sicht dieser Eltern passiert natürlich alles in bester Absicht, aber das Gegenteil von Gut ist Gut gemeint.
Dürfen Kinder auch schirch reden?
Lydia Prenner Kasper: Ich bin schon der Meinung! Kraftausdrücke sind Lebensrealität, und man muss einfach seine böse Seite aus-
probieren, um zu wissen wann und wie ich die gute Seite einsetzen kann. Letztendlich dient das Schimpfen bei Kindern ja nur dazu, eine Reaktion bei den Erwachsenen hervorzurufen, und je pikierter wir sind, desto lustiger für die Kinder. Also liebe guterziehende Eltern, scheißt’s euch nicht an!
Hattest du mal als Mama einen Durchhänger?
Lydia Prenner Kasper: Täglich zwischen 18.30 und 20 Uhr, dann sind die Kinder im Bett und mir schießt wieder Leben ein.
Wie hast du deinen Mann kennengelernt?
Lydia Prenner Kasper: Vor 15 Jahren, sehr gewöhnlich im Büro unseres damaligen IT-Arbeitgebers. Ich war ganz früher mal sein Lehrhaxen. Ein Paar geworden sind wir aber dann erst Jahre später sehr unerwartet. Wir hatten zwei völlig unterschiedliche Lebenswege bis dahin. Mein Mann ist 21 Jahre älter als ich, und wir dachten aufgrund der vielen Unterschiede nicht, dass unsere Beziehung eine große Zukunft vor sich hätte. Mittlerweile sind wir 12 Jahre zusammen, acht Jahre verheiratet, merken den Altersunterschied nur mehr wenn jemand danach fragt, und dann sagt Reini meistens: „Sie ist meine Altersvorsorge!“, und ich sag: „Und er ist meine Erbschaft!“
Du hast unterschiedliche berufliche Erfahrungen gemacht. Bereust du das? Wärst du lieber von vorn herein Kabarettistin geworden?
Lydia Prenner Kasper: Als ich noch nicht auf der Bühne tätig war, hab ich mich schon immer gefuxt, warum ich Bühnenarbeit nicht von der Pike auf gelernt hab. Aber jetzt wo ich ein bisschen Einblick in die Branche bekommen habe, bin ich überaus dankbar, dass ich wirtschaftlichen Background mitbringe, der es mir wesentlich erleichtert die Rahmenbedingungen für meine Bühnenarbeit selbst zu schaffen.
Hattest du mal eine Krise, in der du dachtest: „Das mit der Rampensau wird nichts. Ich werde mein Lebtag im Konzern bleiben?“
Lydia Prenner Kasper: Nein, ich war immer dort Rampensau, wo ich gerade war. Im IT-Konzern hab ich für Feste firmenkritische Kabaretteinlagen geschrieben und gespielt, in meinem Projektmanagement-Job im Sozialbereich, in den ich im Jänner auch wieder Teilzeit zurückkehren werde, hab ich zur Mitarbeiterzeitung Humorvolles beigetragen und darf hoffentlich weiterhin meine KollegInnen beim Mittagessen als Pausen-Prenner-Kasperl unterhalten. Alles hat seine Zeit.
Wie kommst du mit Chefs zurecht?
Lydia Prenner Kasper: Solange sie mich die Hierarchien nicht allzusehr spüren lassen, sehr gut. Ich hasse nichts mehr als reine Befehlsempfängerin sein zu müssen und sehe nicht ein, warum es unter denkenden, kommunikationsfähigen Menschen überhaupt eine äußerlich sichtbare „Nahrungskette“ geben muss. Wenn Respekt nur auf einer Rangordnung basiert, ist sowieso alles zu spät. Meine Mutter hat mir zum Thema Aufblicken zu Lehrern, Chefs und Obrigkeiten immer gesagt: „Die biegen beim Scheißen alle die Knie ab.“ Wo wir wieder bei „Red net so schiach!“ wären.
Solltest du nicht eigentlich längst eine Rolle im sogenannten österreichischen Film erhalten haben?
Lydia Prenner Kasper: Das seh ich ähnlich! Sag ich jedesmal vorm Fernseher! Also falls das irgendjemand liest, der im österreichischen Film was zu sagen hat: ich bin jung, talentiert, und NOCH NICHT all zu teuer!
Ist es schwer, in den österreichischen Kulturadel aufgnommen zu werden?
Lydia Prenner Kasper: Ich glaub, wenn ich alt genug und lang genug halbwegs erfolgreich auf der Bildfläche bin, werd ich ganz sicher in den Kulturadel aufgenommen werden. Das wird sich dann anfühlen, wie wenn einem dienstzugehörigkeitsbedingt ein Amtsratstitel verliehen wird. Also das Publikumsinteresse wird über die Jahre entscheiden, ob ich vom Kulturpöbel in den Kulturadel aufsteige. Zur Zeit bin ich diesbezüglich voll im Plan!
Was wünscht du deinen Kindern?
Lydia Prenner Kasper: Dass es ihnen im Leben so gut ergeht wie mir! Dass sie, ohne sich selbstgemachtem oder gesellschaftlichem Druck zu beugen, jenen Lebensweg beschreiten, der sie selbst durch und durch glücklich macht, egal wie der auch aussehen mag! Trotzdem hoff ich stark, dass ich ihre Lebenswege auch gut finden werde!
Wie wirst du als 70jährige drauf sein?
Lydia Prenner Kasper: Unfassbar lustig und erfolgreich, wunderschön, sauschlagfertig und kreuzsympathisch – also eh wie jetzt auch schon! •
Interview: Patrice Fuchs
Fotos: Elsa Mährenbach
Lydia Prenner Kasper schreibt gerade an ihrem neuen Kabarettprogramm, das ab Jänner im Orpheum laufen wird.
Alle Termine findest du auf
» lydiaprennerkasper.com