das Los des Lassens

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es ist soweit, die 13 Jährige ist auf Facebook und ich hasse es jetzt schon, sie dreht halb durch wenn irgendwas nicht so klappt, zählt Freundschaftsanfragen, hängt vorm Computer. Gut das ist Jammern auf hohem Niveau, also auf ruhigem eigentlich, sie liest viel, sie ist gut in der Schule und hält sich zumeist an Absprachen. naja sagen wir so, 3 Mal war sie nicht zu erreichen auf Ihrem Handy, 45 Minuten zu spät und in meinem bebilderten Kopf tauchten 10000 Schreckensbilder unterdrückter Ängste, gesehener Krimis, lauernder Gefahren auf. Beim dritten Mal stand ich dann hochroten Hauptes vor ihr und sagte: „Gut wenn du es so haben willst, dann stehe ich jeden Tag vor der Schule und hole dich ab und

ICH KÜSSE DICH WENN ich DICH SEHE!“

Das wirkte, seither kann man die Uhr nach ihr stellen.

Ich versuche ihr beizubringen, dass wer mehr Freiheit will auch mehr Verantwortung trägt, das eine geht ohne das andere nicht.

Am Samstagabend waren wir auf der Bar Mitzvah Feier ihres Schulfreundes, welch Ansatz zum Thema groß werden.

Mit 13 wird der Bub zum vollwertigen Teil des Ganzen, trägt die Konsequenzen für sein Handeln, wird zum Mann und tanzt mit diesen bis sich die Tische biegen. Ein Fest voller Melancholie des Loslassens und überbordender Freude über genau das, der Sohn, der sich loslöst von der Mutter und die Mutter die ihn frei gibt

weil er groß wird und selbst entscheiden kann, weil sie ihn genau deswegen geboren hat zum Wachsen in ihr und dann weiter und auch von ihr weg. Ein wichtiges Alter. was lässt einen mehr wachsen als Vertrauen, was lässt einen mehr reifen, als das Zutrauen, das man die Konsequenzen tragen kann, dass man ernst genommen wird, dass man Pflichten hat, diese erfüllt und Rechte, wann soll man es im Leben sonst lernen, das Vertrauen in sich selbst, noch im sicheren Rahmen des Elterlichen Schutzes, wann immer Schutz benötigt wird.

Es war das schönste Fest auf dem ich jemals war, er war der stolzeste 13 Jährige, rotwangige Junge auf den Schultern seines Vaters, tanzend, welch schönes Bild.

Rundumadumm hingegen heißt es, ja sie sind jetzt in der Pubertät, da wird das ganze Gehirn umgebaut, da kann man nichts von ihnen erwarten, kann man nicht?

Neue Synapsen bilden, Kreise schließen, den Blick ändern, reflektieren, das ist doch kein Zustand des Wahnsinns, sondern eine wunderbare Sache. Die Jahre der Kindheit, der Blick, der kritisch auf die Erwachsenen fällt, die eigene Veränderung wahrnehmen, das alles ist doch der Nährboden für das erwachsenene ich, das doch hoffentlich ein Leben lang immer tiefer blicken wird und immer mehr die Fähigkeit erlangt, Zusammenhänge zu knüpfen.

Verwerfungen, Verknüpfungen, Verbindungen zu sich selbst und dann zu einem anderen.

Leicht ist es nicht das Los des Loslassens.

Welch Moment, wenn das Seil des Lustballons sanft vom Wind getrieben durch die Hand gleitet, sich löst und schwebt

bis zum Himmel

ihn anzusehen und die unendliche Möglichkeit der Freiheit.

Rot und starr und klamm werden die Finger, umklammern das Band mit aller Gewalt,

wenn dann aber der Wind kommt

dann reißt gerade dann

der Faden ab.

Ein roter Striemen schmerzt, benötigt alle Aufmerksamkeit,

das Glück des Fliegenlassens

verpasst.

 

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