Während unseres Aufenthalts in den USA vor einigen Jahren wohnten wir in einem echten Joseph Eichler Haus. Die ganze Siedlung wurde von ihm entworfen. Und das machte diesen Architekten aus.
Eichler war das Kind eines österreichischen Vaters und deutschen Mutter und jüdischer Abstammung. Er heiratete selbst die polnisch-amerikanische Jüdin Lilian, die wie deren Mutter ein revolutionärer Charakter war (ihre Mutter hatte, frisch in New York angekommen, die Perücke, die sie in jüdischer Tradition trug, demonstrativ in den Hudson River geworfen).
Joe Eichler und Lilian interessierten sich beide für moderne Architektur. Insbesondere Frank Lyod Wright beeinflusste sie stark.
Aber Eichlers Architektur sollte funktionaler sein und vor allem brachte er sie unters Volk.
Wie die Vororte entstehen
Joseph Eichlers wirkte in der Nachkriegszeit. Zu dieser Zeit entstand eine ganz neue Wohnkultur in den Vororten.
Vor dem Krieg galt es weltweit als Privileg des Bürgertums ein Haus außerhalb der City zu bewohnen. Man schuf sich Rückzugsorte, um der Hektik der Grossstadt zu entgehen. In den Hamptons lag man vor der Strandvilla mit Drinks auf Sonnenliegen. In Österreich verbrachte man die „Sommerfrische“ am Semmering im Gartenhaus, das oft einem kleinem Palais ähnelte. In den Schären bewohnten die Grosshändler im Sommer schmucke Landsitze und ließen sich den Proviant mit Booten bringen.
Den arbeitenden Menschen blieben die kleinen Schrebergärten, die ihnen die sozialdemokratischen Kommunen zur Verfügung stellten. Dort gestaltete man sich Kopien der bürgerlichen Cottage in Minimalversion. Ohne der strengen bürgerlichen Kleider-Etikette und Gehabe verbrachte man die Wochenenden im Kleingarten.
Nach dem 2. Weltkrieg erstarkte der Mittelstand und die gesellschaftliche Struktur wurde demokratischer. Nun sollten auch normale Menschen in den Vorort ziehen können. Aber nicht nur vorübergehend, sondern permanent. Denn zwei Wohnsitze konnte man sich nicht leisten. In den USA waren die Suburbs bald unter den vielen Veteranen beliebt, die aus dem Krieg heimkehrten und sich nach Ruhe und einem friedvollen Garten sehnten. Sowohl Wissenschaft als auch Politik betrachteten die Suburbs als die bessere Wohnform im Falle eines Atomkriegs.
Die US-Regierung finanzierte in den 50er Jahren 4,5 Millionen Suburb-Heime. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass Menschen weisser oder schwarzer Hautfarbe unter sich blieben und auch religiöse Gruppierungen nicht durchgemischt würden um den „sozialen Frieden aufrecht zu erhalten“.
Die Investitionen der Politik führte zu einem Boom der Vororte. Die Bauindustrie blühte auf, die Massenproduktion effektiviert und Eigentum war bald kostengünstiger als jede Miete.
Moderne Architektur fürs Volk
Vor allem avantgardistische Architekten planten diese leistbaren Heime. New Yorks Museum of modern Art und andere Institutionen gaben populärkulturelle Bücher heraus, um das Volk an die moderne Architektur heranzuführen. Kritiker postulierten, dass diese Architektur der Elite niemals eine Alltags-Kultur des Wohnens etablieren könne. Besonders die Entwürfe von Joseph Eichler wurden vom Kunstkritiker Clement Greenberg angeprangert. Sie seien hinter dem Etikett „good taste“ versteckter „Kitsch“. Greenberg wollte pure Kunst. Man sollte das Beste erschaffen was möglich sei und keine abgespeckte Fassung fürs Volk bauen. Keine Übersetzung ins leicht Verstehbare. Keine Pädagogisierung der Kunstform.
Man könnte einwerfen: Der Mainstream ist nicht nur eine Banalisierung der Kunst sondern auch ein Wertmesser. Der Trend sagt nicht nur aus, dass ein Produkt sich aus der Umarmung der Elite befreit hat, sondern auch dass es zu einem beglaubigten Stück Zeitgeist geworden ist.
In den USA konnte sich die Moderne der Vororte durch die staatliche Förderung in den 50er Jahren zu einem hohen Grad als Lebensstil durchsetzen. Sie wurde durch die Langspielplatte, Shoppingmalls, Fast Food Lokalen und dem Fernseher perfekt komplettiert und hat eine Populärkultur erschaffen, die die Welt verändert hat. Dazu wäre die puristische Kunstszene nicht in der Lage gewesen.
Die Joseph Eichlers Siedlung
Joseph Eichler gehört zu den innovativen Architekten, die die Ästhetik und die Logik der Moderne in der Nachkriegszeit auf den Mittelstand zuschneidet. Seine Planlösungen und Ästhetik sind revolutionär und minimalistisch. Gleichzeitig ist ihm die Leistbarkeit wichtig. Seine Häuser sind nicht herrschaftlich groß, sondern vernünftig vermessen. Er plant meist nicht nur ein Haus, sondern ganze Siedlungen und kann daher mit den Materialien effizient haushalten. Er wählt nicht die teuersten Fussbodenbeläge sondern vernünftige und standardisierte Baustoffe. Seine moderne Ästhetik ist immer auch pragmatisch durchdacht. Eichler-Häuser sind keine „Kunstwerke“ sondern funktionell und lassen den Bewohnern Raum, ihren eigenen Geschmack einzubringen. Der Term „liveability“ scheint, wie auf ihn zugeschneidert.
Er schafft kleine Vororte-Dörfer mit Strassenzügen und einer freundlichen Stimmung, die den „vitalen Luxus des Lebens“ hervorheben. Im Zentrum findet sich ein Kommunalraum und ein Kindergarten. Er ist ein Künstler und will seine Kunst im Rahmen eines Geschäftsmodells ausdrücken.
Struktur des Joseph Eichler Hauses
Ein Joseph Eichler Haus hat keine Fenster zur Strasse, dafür immer ein Freiluftatrium mitten im Haus und große Fenster zum Garten hin. Er baut „back-to-front“. Vom Garten weg nach vorne. Der Lebensmittelpunkt befindet sich mit Blick auf den Pool im Garten.
Obwohl in die Aussenwelt keine Fenster führen, schachtelt er den Raumplan so geschickt, dass trotzdem alle Zimmer hell sind. Er setzt dazu nicht nur Glasschiebetüren ein sondern ganze Glaswände.
Die Küche öffnet sich zu einem großem Wohnraum. Man nennt es den „family room“. Das Elternschlafzimmer liegt von den Kinderzimmern etwas entfernt und hat ein eigenes Bad. Damit will er auch das Sexleben der Erwachsenen privatisieren. Vor allem aber ist er der erste, der das Masterbedroom mit exklusiven Bad in einem Fertigteilhaus umsetzt. Diese Raumordnung hatten sich davor nur Bürger leisten können.
Im ganzen Haus hat man Privatsphäre. Wenn man im Haus drinnen ist, kann einen von draußen niemand mehr sehen.
Die meisten Familien und vor allem Hausfrauen wollten in den 50er Jahren lieber in traditionelleren Häusern leben. Eichler achtete daher sehr darauf, wer seine Häuser erwarb. Damit wollte er verhindern, dass sie umgebaut und verunstaltet würden.
Seine Leistung bestand darin, die Bedürfnisse des Menschen im Alltag zu erkennen, diese durch seine Architektur zu erleichtern und die Umsetzung im Rahmen eines Vororteleben ökonomisch einer breiten Schicht möglich zu machen.
VorAuch der Rasen vor dem Haus war bemerkenswert. Sehr sehr praktisch. Braucht kein Wasser und keinen Rasenmäher. Ist nämlich Kunstrasen! Haha! Und man sieht es echt nicht. Es steht im Silicon Valley und man will kein Wasser unnötig verschwenden.
Die ganze Siedlung ist im Originalzustand erhalten. Die BewohnerInnen achten und lieben ihre Joseph Eichler Häuser. Er starb 1974. Zu einer Zeit, in der die Menschen modernes Design weniger inspirierend fanden. Sie wollten wieder zurück in traditionellere Bauwerke. Vor 30 Jahren, als die BesitzerInnen unseres Hauses es kauften, war es ein Schnäppchen. Heute erlebt Joseph Eichler wieder eine Renaissance und seine Häuser sind unfassbar teuer geworden.
Das Leben im Eichler Haus war wirklich sehr leicht und genussvoll. Der Blick auf den Pool, die grosszügig angelegte Küche mit kurzen Wegen zum Esstisch, der luftige Wohnzimmerbereich und die praktischen Schlafzimmer… Man war privat aber hatte nicht das Gefühl eingesperrt zu sein. Das Atrium ist sehr hübsch anzusehen, aber ich bin mir nicht sicher, wie sehr man es nützt. Wenn es direkt bei der Küche liegen würde, könnte man ihn zum Kaffeetrinken verwenden. So, geht man gleich in den Garten raus. Aber mir gefällt es trotzdem. Es lockert die Innenstruktur auf und spendet Licht.
3 Kommentare
hallo danke für den Artikel ich wollte fragen ob du vielleicht wüsstest wo man sich einen Eichler Bungalow bauen lassen kann natürlich nicht zum horrenden Preis aber günstig.
Dort wo die Grundstückpreise niedrig sind:-) Du musst viel selber machen und brauchst einen guten netten Architekt, der dir nach den Prinzipien von Eichler einen guten Plan zeichnet.
Immerhin haben die musikgeschmack