Es war eine schöne Zeit mit dir, aber die ist nun definitiv vorbei. Bobos sind so last decade. Jetzt rufen wir: Welcome Hipster!
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Nach zwanzig Jahren sind die Hipsters nun letztendlich auch in Wien angekommen. Nicht nur ein paar vereinzelte Kunstuni-StudentInnen beweisen sich gegenseitig in der Pratersauna wie hipp sie nicht sind, es decken sich auch schon die ersten GymnasiastInnen mit hippem Gewand von Urban Outfitters oder American Apparel ein. Aber blicken wir noch einmal auf unsere Bobos und ihre Lebenswelt zurück:
Der Bobo und seine Feinde
Sie sind Kinder bürgerlicher Eltern die `anders leben wollen‘ – aber ohne dabei die Eltern zu verschrecken. Schließlich finanzieren die ihnen das Studium. Schließlich schenken die ihnen den 5 Jahre alten Ford-Kombi, wenn das erste Enkerl da ist. Schließlich ist man ja doch Teil der bürgerlichen Schicht und geht auch mal mit der St.Pauli-Trainingsjacke (ein Relikt aus dem letzten Städtetrip) ins Burgtheater. Dieser Spagat hat den Bobos immer viel Häme eingebracht. Sie seien pseudoauthentisch, pseudoalternativ, phantasielos und priviligiert.
Bourgeois Tristess
Bobos wollten vor allem raus aus der bürgerlichen Tristesse. Sie wollten mehr Freiheit, mehr Coolness und mehr Offenheit als ihre Eltern. Ein stark durch bürgerliche Traditionen reglementierter Alltag prägte die Kindheit der Bobos. Zu Weihnachten immer das selbe Programm mit Oma und Karpfen, in den Sommerferien immer der selbe Urlaub an den selben faden See, im Wohnzimmer immer die selben dunklen Möbel, zu Tisch immer die selben Gespräche über Oma und Schulnoten, auf dem Plattenteller immer das Mozart-Requiem oder Brunner und Brunner.
Bobos waren daher superduper beeindruckt, wenn sie mal etwas neues kennen lernen durften und dabei das Gefühl hatten, es selbst entdeckt zu haben. Sei es Zitronengrass, Triphop oder Flipflops.
In die Kirche gehen Bobos trotz ihres katholischen Hintergrund nicht mehr – viel zu trist. Außer sie heiraten, dann gehört es sich doch irgendwie. Und ihre Kinder müssen auch vom Pfarrer getauft werden. Ihren christlichsozialen Background leben Bobos ansonsten durch den Verzehr von Fairtrade-Kaffee aus.
Lebensqualität als Lebensmaxime
Eines muss man den Bobos lassen: Sie haben `Lebensqualität‘ neben Einkommen als wichtigen Bestandteil des Lebens im deutschsprachigen Raum etabliert. Der Bobo-Lebensstil ist ein Stück weit auch auf andere soziale Schichten übergeschwabbt und seither dürfen auch einfache Menschen nach einem bunteren Alltag, ein wenig Esskultur und hübsch designten Alltagsgegenständen streben ohne als dekadent zu gelten. Damit haben die Bobos aber ihr Soll erfüllt und können in den Nullerjahren verbleiben.
Neo-Hipsters
Verdrängt wird der, bereits merklich alternde, Bobo von der Generation der neuen Hipsters. Die Neo-Hipster sind nicht, wie in New York der Nachkriegszeit, eine marginale Gruppe von Leuten, die sich intensiv mit Literatur, Musik und Drogen beschäftigten, sondern ein globaler Lifestyle mit ausgeprägter Neigung zum Konsumieren. Sie legen großen Wert auf Mode und sehen trotzdem manchmal richtig abgefuckt aus. Ja genau – diese Leute mit den großen Brillen und den Karo-Hemden!
Wie ihre VorgängerInnen aus den 50ern neigen sie zum 20-Tagesbart und diversen Chiffren für Intellektualität modischer Natur. Aber sie nehmen auch Anleihen bei den Mods, den Heavy Metals, Punks, Scatern, Dandys und New Waves. Alles was einmal Sub war, versteht der Hipster zu einer neuen modischen Perfektion zu erhöhen. Sie kaufen bei H&M genauso ein, wie bei exklusiven Jungdesignern in Berlin Mitte oder bei der Heilsarmee in London.
Working Bobos
Bobos waren entweder StudentInnen, oder waren StudentInnen gewesen. Welche Studienrichtung sie belegten, war nicht bedeutend. Soziologie-Bobo-StudentInnen trugen genau so ihre Retro-Adidas und johlten zu `Ab in den Süden‘ wie Ernährungswissenschaften-Bobo-StudentInnen.
Nach dem Studium wollte man vor allem eins: Irgendeinen AkademikerInnenposten. Das war Bobochick. Das fanden auch die Eltern chick. Und man wollte sich ja seinen Status als Kind bürgerlicher Eltern erhalten. Was dafür notwendig war, hat man geleistet. Aber darüber hinaus wollte man vor allem eins: Chillen. Das war die Definition von `Lebensqualität‘ für den Bobo: Guter Job, guter Verdienst, kein Karrieredruck, spät Kinder kriegen, am Abend mit Bobofreunden auf die Bobomeile zum Bier oder Aperol trinken. Am Sonntag Fußball spielen und ein, zwei Mal im Jahr auf ein Festival um zu Green Day und Tocotronic zu gröhlen.
Hipster, oder besser Yupsters?
Bei Hipster ist das etwas anders. Sie müssen nicht unbedingt studieren. 5 oder 6 oder 10 Jahre in einer Studenten-WG herumlungern und American Dad schauen ist sowieso nicht drinn. Hipster haben was vor im Leben. Und meistens hat das, was sie vor haben, irgendwie mit neuen Medien oder neuen Medientechnologien zu tun. Und weil sie sich mit Internet und Macs und anderen elektronischen Spielzeugen auskennen, brauchen sie auch nicht zu studieren. Sie können ihr Handwerk bereits. Ihr Ziel ist es, etwas smartes zu entwickeln und damit viel Geld zu verdienen. Man könnte sie auch Yupsters nennen: Eine Kreuzung zwischen Yuppie und Hipster.
Do ist yourself? Vergiss es!
Do ist yourself – als Lebensgefühl war einmal. Die Bobos freuten sich noch wie Kinder, wenn man ihnen majorproduzierte Acts wie Artic Monkeys vorführte und ihnen dann einredete, die wären durch Myspace berühmt geworden. Hauptsache auf den Konsumgütern des Bobos klebte das Label `Independent‘. Dass es sich immer um Konsumgüter handelte, die nicht ohne aufwendigem globalem Marketing in den Kaufkreis der Bobos gefunden hätten, machte die Bobos nicht stutzig.
Yupsters wollen keine Beschäftigungstherapie. Sie brauchen keinen Retrochic und keine Verniedlichung der Gegenwart. Sie wollen was weiterbringen. Wenn sie krank sind, setzen sie nicht, wie die Bobos auf Homöopatie und Mamas Fürsorge. Sie hauen sich ein Parkemed rein und arbeiten weiter an ihrem Projekt
Yupsters produzieren Musik, programmieren Apps, schreiben Modeblogs oder eröffnen Hipstersmode-Shops…und haben natürlich den Plan, dass sich aus dem Laden in naher Zukunft eine Shop-Kette mit Internetversand nach dem Vorbild von American Apparel entwickeln soll. Dazu brauchen sie finanzkräftige Partner. Am Besten einen Konzern mit halbwegs stylishen Labeling und viel Geld. Adidas, Red Bull, EMI what ever.
Alle Hipster wollen einmal Yupsters werden, wenn sie groß sind. Yupsters und Hipsters bewegen sich generell gerne im Underground. Sie saufen gerne Absinth auf Queer-Parties, aber noch lieber koksen sie mit der Very-Upperclass in einer Londoner Galerie.
Der Grossmeister der Yupsters
Yupsters hören Dancefloor genauso wie Nu-Folk – nicht unähnlich den 50er und 60er Jahre Hippster, mit ihrem Cool-Jazz auf der einen Seite und Bob Dylan und auf der anderen. Yupstermusik ist also popig, sollte aber immer ein Stückchen avantgardistisch anmuten. Das Neueste auf Spotify und ein wenig Ukulele also.
Der Grossmeister der Yupsters im Musikbusiness ist Mark Ronson. Er machte Amy Winehouse gross und arbeitete mit Duran Duran, Boy George oder Lilly Allan. Wie gut man im Networking ist, entscheidet unter Yupsters ob man ein guter oder schlechter Mensch ist. Kaum einer hat so vielfältige Kontakte im Musikbiz wie er. Mark Ronson ist demnach eine Art Jesus in der Yupsterswelt. Eben hat er sein neues Album BANG BANG BANG rausgebracht. Und der Name seiner Band wird dem Yupsterslifestyle mehr als gerecht: Mark Ronson & The Buisness Intl.
Weiße Wohlstandskinder
Die Tatsache dass Hipster vorrangig weiße Leute aus dem Mittelstand sind, veranlasste die New York Times letztens ein eigenes Wort für schwarze Burschen und Mädls in Slim Jeans und Hornbrille zu kreieren: Bipsters. Das löste einen Proteststurm unter den LeserInnen aus. Es sei nicht notwendig ein Wort zu kreieren, deren einzige Bezugnahme rassischer Natur ist.
Blogger gegen Hipster
Und wie immer, gibt es bereits die Gegenbewegungen zur Bewegung. Standen letztes Jahr noch die Emos in der Ecke, sind es mittlerweile die Hipsters und Yupsters. Blogs, wie hipster runoff oder die hipster (die = stirb) lassen sich eingehend über die weißen Arty-KarrieristInnen aus.
Joe Mande aus New York startete 2009 den Blog weil er es satt hatte, dass sein Vater ihn immer auf der Straße fragte: `Du, ist das dort ein Hipster?’Der Satire-Blog war nach einem Jahr so erfolgreich, dass er eben auch in Buchform erschienen ist. Mande umschreibt Hipsters so: `Jeder Hipster betrachtet sich selber als speziell und unik. Nur zufälligerweise manifestieren alle Hipsters ihre Exklusivität durch exakt gleiche Kleidung und Attitüde‘.
Look at this f*cking hipsters, Joe Mande, Griffin 2010
Von Patrice Fuchs
5 Kommentare
das neue album von mark ronson heisst „record collection“ und ist noch nicht erschienen.
„bang bang bang“ ist nur die erste single-veröffentlichung.
Die Fotos verbildlichen etwas ich weiss nicht was. Aber man kann gut Geld verdienen
wenn man die Stile nutzt.
verdammt, und wieder bin ich nicht dabei, beim neuen trend, der aber ja schon weider ein alter zu sein scheint.
ich wart mal ab was nächses Jahr kommt – vielleicht bin ich ja dann ‚in‘. Wobei am Bobo – status schramm ich ja eh knapp vorbei. fehlt nur die zitronengras-affinität (wobei ich schätzte die sit aj zentral) und der alte Ford von der Mama (wengier zentral) und Fair Trade Kaffee kauf ich auch nicht.
Übrigens ich empehle in diesem Fall 2 geschriebene Sachen von Jean Luc Nancy.
„Die Musen“
„Kalkül in der Kunst“
Beides eher scwieriger auf deutsch zu bekommen, aber……..
Mark Ronson. Die Produktionen die über diesen Namen oder für diesen Namen entwickelt werden haben weit mehr Bedeutung als man glaubt. Und zwar in musikalischer Hinsicht. Die „Musik-Kreativen“ stecken in einer Schaffenskrise.
Positiv bemerkt. Produzenten und Labelinhaber sehen noch immer ihre Inspiration in der Vergangenheit. Oder was intimer geht in einer Art Wahrnehmung des Umfelds gefiltert durch Erinnerungen aus der Vergangenheit. Wieso ist erhält ein kreatives Werk mehr
bedeutung durch Retro-Inhalte. Ich verstehe darunter älteres Musikgerät oder Instrument das Kultstatus hat. Irgend ein alter Computer oder Synthie.