Inspiriert von Patricens Lebensaltercheck und dem beginnenden Interesse meines Sohnes an Politik („Mama, wieso ist es lustig, wenn auf den Plakaten steht: Arbeit. Bildung. Das wird nie was.?“) ging mir im Kopf herum, welche politischen und gesellschaftlichen Ereignisse mich eigentlich geprägt haben in der Kindheit.
1981: Meine früheste politische Erinnerung: Attentat auf Anwar El Sadat. Keine Ahnung warum. Ich glaube, mir gefiel sein Name.
ca. 1983: Zwentendorf. Mein Cousin war damals schon erwachsen und erklärte mir auf einem Spaziergang in der Nähe von Z., dass es ein Blödsinn sei, was die Leute sagen, von wegen, Atomkraft sei nicht sicher. Ich glaubte ihm nicht so wirklich, denn irgendwann zwischen
1983 und 1986 kam „The day after“ im Fernsehen. Ich las auch, dass mit dem damals existierenden Atomwaffenarsenal alles Leben auf der Erde siebenmal ausgelöscht werden konnte. Und dass der Fall-out so stark wäre, dass jahrelang auf der Erde Winter wäre. Ich fand diese Informationen monströs und erschreckend. Wie konnte man leben und glücklich sein, wenn eine solche Bedrohung über einem schwebte? (Vor ein paar Jahren las ich dann „The Road“ von Cormac McCarthy. Eine ziemlich adäquate Beschreibung, wie das Leben auf der Erde nach diesem Ereignis wäre. Nichts für schwache Nerven.)
1986: Tschernobyl. Mein Cousin sprach mit mir nicht mehr über Atomkraft. Wir sollten häufig duschen. Wir aßen keine Beeren und keine Schwammerl. (Bis heute denk ich dran, wenn ich Schwammerl aus dem Wald esse.) Es gab eine Wolke. Ich erfuhr, dass Cäsium 137 eine Halbwertszeit von 30 Jahren hat und rechnete mir aus, dass es erst halb zerfallen ist, wenn ich eine steinalte Frau von 41 Jahren bin. Jetzt ist es bald soweit und inzwischen war schon wieder Fukushima.
1988: 50 Jahre Anschluss Jubiläum. Die Affäre Waldheim hatte die nach 1945 Geborenen wachgerüttelt und das waren meine Lehrerinnen und Lehrer, die nun nichts mehr falsch machen wollten. Ich war gerade im richtigen Alter, um von Anne Frank und Bildern von ausgemergelten Menschen zutiefst schockiert zu sein. Wieder etwas Monströses und Erschreckendes, diesmal in der Vergangenheit und trotzdem sehr nahe, in unser aller Blut quasi. Schwarze Milch der Frühe, dein goldenes Haar Margarete. Geografie-Bücher zogen manchmal dämliche Schlüsse: Ein Bild von Bono Vox in Concert neben Hitlers Rede bei den Olympischen Spielen 36. Da passte es doch viel besser, dass ein ehrgeiziger junger Politiker namens Jörg Haider anfing, gegen „Ausländer“ zu sein und sonst auch eher schlimmen Unsinn zu reden.
1989: Fall des Eisernen Vorhangs. Ich war noch etwas älter, im Ostblock war in meiner Vorstellung das Gras ohnehin immer in Grau gewachsen, und ich freute mich für die DDR-Bürger, die am Ende des Sommers über Ungarn nach Österreich einreisen konnten. Dann ging alles sehr schnell, eine coole Zeit, um sich an regelmäßiges Nachrichten-Schauen im Fernsehen zu gewöhnen. Jeden Tag ein neues Land. Besonders Rumänien. Ceauscescu. Man habe den Müttern Pfirsichsaft als Milchpulver für ihre Babys verkauft, Verhütungsmittel und Abtreibung seien verboten gewesen. Und dann haben sie ihn und seine Frau im Winter gefunden, im Schnellverfahren zum Tod verurteilt und erschossen. Ich weiß noch, dass mein Onkel das damals nicht uneingeschränkt OK fand und ich meinerseits nicht verstehen konnte, warum.
Und dann war nur noch 1991 eindrucksvoll, der erste Krieg meiner Wahrnehmung, der Golfkrieg. Ich hatte vor der Schule noch den Fernseher aufgedreht und der Krieg hatte offiziell begonnen. Ich weinte ein bisschen, aber nur halbherzig.
Seitdem bin ich erwachsen und kann die Ereignisse besser einordnen, mit mehr Distanz und Sachkenntnis. Aber die Grundpfeiler sind diese, werden in der Kindheit und Jugend gelegt.
Welche werden das für meine Kinder sein?
Die Wirtschaftskrise? Die prosaische Ödnis des immerwährenden technologischen Fortschritts? Der Klimawandel, der für sie einfach nur Überschwemmungen alle paar Jahre und heiße Sommer bedeutet? Oder doch die Monstrosität des Banalen Bösen, dieser anthropologischen Grundkonstante?
Oder ist das schon wieder zu pessimistisch gedacht und es gibt immer Hoffnung?
Familie Rockt ist ein Elternmagazin und Elternblog – Portal. Das Magazin erscheint alle zwei Monate und bietet nette Artikel für Mütter und Väter und solche die es werden wollen. Auf www.familierockt.com können Eltern über ihr Leben mit Kindern bloggen
Ein Kommentar
Sehr schön verfaßt. Kann jede station emotional in mein kopfarchiv einordnen