Die Migrationsfrage bei den EU-Wahlen überbewertet

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Migration ist für die meisten Europäer nicht das bestimmende Thema. Ihre Bedenken richten sich stärker auf wirtschaftliche Fragen und dem Klimawandel. Amerikaner neigen dazu, ausländische Ereignisse stärker einseitig zu betrachten. Zur Unterstützung der rechten Lobby wird zu den Europawahlen unter Getöse der ehemalige Trump-Beraters Steve Bannon erwartet.

Dies ist die Übersetzung dieses Artikels des European Consils on foreign relations

Bannon war maßgeblich an der Schaffung eines europaweiten Bündnisses von Nationalisten für ein „Europa mit gesundem Menschenverstand“ beteiligt, zu dem der ungarische Premierminister Viktor Orban und der italienische Ligachef Matteo Salvini gehören.

Bannons Rolle hat die Wahl ein wenig wie eine europäische Version der Trump-Revolution erscheinen lassen. Das Bündnis hat versucht, die Wahlen in ein Referendum über Migration zu verwandeln und eine souveräne Koalition zu mobilisieren, um die EU von innen heraus zu demontieren.

Steve Bannon beeindruckt europäische Parteien mit dem Erfolg der Anti-Migrationspoltik

Diese Bemühungen spiegeln die Überzeugung wider, dass die Migrationskrise von 2015 die europäische Politik für immer verändert habe. Die EU erlebe eine permanente Reihe von Migrationskrisen, die die europäische Politik zwangsläufig in eine souveräne Richtung lenken werden. Tatsächlich ist ein solches Denken „sehr 2015“.

Doch die politische Meinung der EU-BürgerInnen hat sich gewandelt

Bannon und seine europäischen Verbündeten, die von Trumps Erfolg, die Migration in das Zentrum der amerikanischen Politik zu rücken, beeindruckt sind, haben nicht bemerkt, dass sich die Politik in der EU weiterentwickelt. Wie eine kürzlich von YouGov und dem Europäischen Rat für auswärtige Beziehungen (ECFR) durchgeführte Umfrage unter 14 EU-Ländern (die 80 Prozent der Sitze im Europäischen Parlament repräsentieren) zeigt, wird die Kampagne für eine „Festung Europa“ keine erfolgreiche Strategie sein.

Der Hauptgrund ist, dass die Migrationsfrage in den meisten Teilen Europas kein bestimmendes Thema ist. Die Ergebnisse der ECFR-Umfrage zeigen, dass die Mehrheit der Befragten dies nicht als eines der beiden Hauptprobleme ihres Landes ansieht.

Nur in Ungarn tickt das Volk noch wie 2015

Ungarn ist das einzige Land, in dem die Einwanderung nach wie vor die größte oder zweitgrößte Bedrohung für die EU darstellt. In jedem anderen der 14 befragten Länder ist eines von mindestens fünf anderen Themen aufgetaucht, die für die Europäer gleichermaßen, wenn nicht sogar noch wichtiger sind. Im Gegenteil kann man in vielen europäischen Ländern die Befürchtung registrieren, dass der Nationalismus die EU zerstören könnte. Es scheint eine Gegenreaktion auf Salvinis Europäische Allianz für Menschen und Nationen zu sein. Für die Wähler ist diese Befürchtung mindestens genauso vehement wie die Frage der Migration in Österreich, Dänemark, Deutschland, Griechenland, den Niederlanden, Polen und Spanien ist. Das Zurückdrängen des Nationalismus wird besonders häufig als Wahl-Motiv genannt.

Die Angst vor Migration kann ganz unterschiedlich aussehen

Der zweite Grund, warum Migration als Wahl-Motivator wahrscheinlich nicht funktioniert, ist, dass selbst diejenigen, die Migration als Top-Thema betrachten, darunter eine konträr andere Problemlage meinen.  Die Umfragen ergaben eine erhebliche Kluft zwischen denjenigen, die sich hauptsächlich um die Einwanderung in ihr Land sorgen, und denjenigen, die sich um die Auswanderung sorgen, die zu einem Rückgang der nationalen Bevölkerung führt.

Nord- und Westeuropa fürchten immer noch eine zu starke Zuwanderung, aber die Mehrheit in Griechenland, Italien, Spanien, Ungarn, Polen und Rumänien ist viel besorgter darüber, dass ihre Bürger das Land verlassen. Überraschenderweise möchten zweistellige Mehrheiten in all diesen Ländern, dass ihre Regierungen es ihren eigenen Bürgern verunmöglichen, für längere Zeit ins Ausland zu gehen. In einem Europa, das stolz darauf ist, Grenzen niederzureißen und das freie Reisen zu fördern, ist dieser Wunsch nach Isolation im Land auffällig, aber vielleicht verständlich. In Rumänien hat in den letzten zehn Jahren jeder fünfte Bürger sein Land verlassen. Bulgarien ist das am schnellsten schrumpfende Land der Welt und hat seit 1989 fast 2 Millionen seiner 9 Millionen Einwohner verloren.

Die Rechten verkalkulieren sich bei Migrationsfrage

Entscheidend ist, dass die Analyse auch zeigt, dass die Besorgnis über Migration wesentlich weniger zur Wahlbereitschaft beiträgt als andere politischen Fragen. Vor allem die Angst vor Nationalismus ist ein noch größerer Motor um zu den Wahlen zu gehen. Die Migrations-Frage hebt sich in ihrer Gewichtung nicht stark von anderen Ängsten ab, wie etwa der Sorge um die Wirtschaft, die alternde Bevölkerung oder den Klimawandel.

Dies mag einige der großen Veränderungen in der Politik seit 2015 widerspiegeln. Das offensichtlichste ist der Einbruch der Zahl der Flüchtlinge: Auf den Screens der Medien sieht man heute eher das Chaos, das  Brexit angerichtet hat, als Bilder von unkontrollierten Grenzen. Dies spiegelt auch die Tatsache wider, dass alle Mainstream-Parteien jetzt stärkere Kontrollen an der EU-Grenze befürworten – und keiner von ihnen befürwortet offene Grenzen. All dies bedeutet, dass die EU-Wahlen zeigen werden, dass die Migrationsfrage in Europa anders als in den USA nicht mehr im Zentrum der Politik steht.

Dies bedeutet in keiner Weise das Ende der populistischen Herausforderung. In Europa herrscht nach wie vor große Unzufriedenheit mit dem Status Quo und den Mainstream-Parteien. In Europa ist es jedoch sehr viel schwieriger geworden, die Wähler mit Bildern von Karawanen von Kriminellen und Versprechungen von Mauern zu verunsichern.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. Mai im Blog „The Brookings Instiution’s Order from Chaos“.

 

This article originally appeared on 13 May at The Brookings Instiution’s Order from Chaos blog. 

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