die gestrickte Gebärmutter

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Nels Beitrag hat eine Erinnerung in mir wachgerufen. Wir schreiben das Jahr 1998, es ist Mitte November, Anfang Oktober begann Sie die neue Sternzeit als Mutter mit Kind. Aus mir nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen, nahm ich Teil an einem Geburtsvorbereitungskurs, 5 Mal kam auch der Vater mit. Wir befinden uns jetzt aber schon in der Nachgeburtsphase und der bisher schwierigsten Zeit in meinem Leben. also, ich war schon stolz, dasss ich es geschaftt habe, geduscht, angezogen, das Baby, den Kinderwagen und mich um 11 Uhr Vormittag bis in die Tiefen des 9. Bezirks bewegt zu habe, vielleicht war das in meiner schlaflosen Verlorenheit schon Grund genug, denn schon vor der Geburt, waren die Hennagefärbte Kusleiterin und ihre Worte nicht meine Welt, wie auch, wenn man mitten in der heilen Welt, als absolut gescheitertes und dann auch noch schwangers Paar sitzt.

So, es ist 11.20, die Babys liegen in Ihren Wippen, alle ruhig nur meines schreit, ich fühl mich unwohl, natürlich bei mir zu Hause ist gar nichts schön und aus einem Paar ist keine Familie geworden, nicht mal mehr als Paar vorhanden, ich bin müd, ich fühl mich schuldig. Die Tür geht auf und Frau“ Ich bin fünfzig färbe mein Haar seit 40 jahren mit Hennaextreme und batike meine Leiberln selbst“ betritt den Matten ausgelegten Raum an Ihrer Seite ihr Ebenbild, allerdings in blond, der Batik ist auch sie verfallen. Wir setzen uns im Kreis. Thema heute ist die Zeit nach der Geburt. „Ihr müsst schon aufpassen, jetzt wo ihr keine Zeit habt euch herzurichten und zu schminken, ans Haus gefesselt seid, aber eure Männer draußen und im Büro von hübschen, unabhängigen Frauen umgeben sind“. Ich sitze da, ich lass den Kopf hängen, der Dammschnitt schmerzt und nicht nur der, ich fühle mich wie gebeamt ins Jahr 1950 und hätte ich die Kraft oder wären meine Hormone wieder normal, ich würde einfach wütend losschreien, aber Wut, nein für Wut habe ich keine Energie. Dann packt die Hellblondgebatikte aus Ihrer Umhängetasche ein Gebilde aus graugrünmelierter Wolle und hält sie hoch.“ Hallo ich bin die Karin, ich habe euch mal ein Modell einer Gebärmutter mitgebracht, weil, wir wollen jetzt die Verhütung nach der Geburt besprechen, was für Möglichkeiten wir da haben“ Ich starre  auf die Wollfäden, die links und rechts aus dem Strickknäuell hängen.“ Wie stellt ihr euch das in Zukunft vor, Stillen ist ja keine Verhütung, aber hihi, sofort ein neues Butzerl wäre ja auch für euren Körper zuviel“ erwartungsfroh schaut sie in die Runde“ so, du bitte fang du mal an“ Ich werde immer kleiner, ich bin im falschen Film, ich habe viele Probleme zur Zeit, Verhütung ist keines davon. Frau um Frau gibt Auskuft oder fragt nach Möglichkeiten, in meiner Dunstglocke aus Panik, Scham und Traurigkeit verharre ich bewegungslos. Ich nehme fröhliche Stimmen wahr, meinen Kopf habe ich schon fast auf den Knien, ich will versinken, Vogel Strauß, warum stehe ich nicht einfach auf und gehe, was ist aus mir geworden, wie anders habe ich gedacht, wird es sein ein Kind zu haben, einen Mann, der mich hält, eine Verbundenheit in nie geahntem Ausmaß, stattdesse sitze ich mittendrin in der Kathastrophe…..

“ Du, ja du, du hast, ja noch gar nichts gesagt, wir wollen doch auch von dir hören, wie du dir das jetzt weiter denkst..“ Ich reagiere nicht, sitze mitten drin in der postpartalen Depression bisher  Tränenlos und erst Jahre später als solche erkannt. “ Denkst du schon wieder an Sex?“  Sie kniet einen halben Meter vor mir und schaut mir direkt in die Augen, ich kann nicht aus, irgendetwas bricht, ich spürs der Damm reißt und Wassser und Satzfluten brechen heraus. Und ich schluchze und weine und flehe und lass es raus, die kaputte Beziehung, die Überforderung, den ganzen aufgestauten Schmerz. Ich kenne mich nicht wieder, schutzlos wimmere ich Worte und Laute heraus wie ein angeschossenes Reh. Es ist still um mich, die Batikdamen schauen mich kurz an, dann betreten zur Seite, „äh, das ist jetzt nicht so der Rahmen, du solltest dich draußen beruhigen“

Ich nehme mein Kind und finde mich selbst in der Morgensonnenrotausgemalten Garderobe, ein Loch mein Gehirn und mein Herz, ich fühl mich absolut leer.

Die Tür geht auf, meine Lieblingsschwangerschaftskurskollegin setzt sich zu mir, legt den Arm um mich und sagt.

“ Ich war in einer ähnlichen Situation, es sieht jetzt nicht so aus, ich weiß, aber alles wird werden. Du schaffst das.“ ich trockne meine Tränen mit Ihrem Taschentuch, sie gibt mir Ihre Telefonnummer, angerufen habe ich sie nie, ziehe mich und packe  mein Baby wolllig warm ein, öffne die Tür, die andere Tür, die zum Gruppenraum bleibt fest verschlossen. Ich habe sie nie vergessen diese Frau, Ihren Namen schon, die gestrickte Gebärmutter nie.

Es stimmt aber, so verstrickt die Situation auch war, filzig oft, wie zu heiß gewaschene Wolle. ich habe es geschafft, die Fäden neu aufgerollt und jetzt ist es kuschlig und warm.

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4 Kommentare

  1. funkelblau on

    ich könnte zu diesem Thema ein paar Geschichten erzählen, das ist immer noch ein Tabu. Frauen haben vor Glück zu strahlen nach der Geburt, ich hoffe, dass mittlerweile genauer hingeschaut wird, wenn es jemandem odffentsichtlich nicht gut geht. Wichtig ist dass es einen „Rahmen“ gibt in dem man sich überhaupt traut das zu äußern, ich glaube das fängt im Kleinen an. Es ist einfach anstrengend nicht schlafen zu können, ein Schreibaby zu haben, sich zu trennen oder auch einfach die Veränderung, man wächst ja zur Mutter, es ist etwas Neues und keine versagt, wenn das auch schwierig ist. Deswegen habe ich das auch geschrieben, Offenheit und Ehrlichkeit dem Schönen, aber auch dem Schwierigen gegenüber. Wer über Abbgründe reden darf, der wird nicht in ihnen versinken, das Schweigen birgt die Gefahr.

  2. mother mable on

    Bin auch geschockt, echt gemein, „äh das ist nich der Rahmen“ Ich werd richtig wütend. Das nützt jetzt nach sovielen Jahren nicht viel:-), aber trotzdem, eine Verarsche, und eine Verarsche jeder Frau gegenüber die von postportaler Depression betroffen ist. Wusstet ihr das es in Wien genau eine Ärztin gibt die dafür spezialisiett ist? Gerade Orte bei denen es um rund um die Geburt geht sollten sensiblier sein!!!

  3. funkelblau on

    ich wünscht, ich könnte sagen, ich hätte mir das ausgedacht, aber es war wirklich so, 1998.

  4. Unfassbar! Eine gestrickte Gebärmutter! Und dann der Hinweis auf die Gefahr, dass einem der Mann abhanden kommen wird, wenn man sich nicht schminkt …

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