Clemens Haipl: „Meine Kinder hören nur AC/DC!“
Zweifach-Papa Clemens Haipl betreibt seit 18 Jahren auf FM4 die Stegreifcomedy Projekt X, schreibt Drehbücher, Kolumnen und Bücher. Außerdem macht er elektronische Musik und verbringt recht viel Zeit auf Facebook. Er gehört zu den wenigen ÖsterreicherInnen, die vor allem davon leben, das sie Humor haben. Wir haben ein langes Interview mit ihm geführt, dass natürlich sehr unterhaltsam aber auch sehr berührend war. Clemens Haipl spielt gerne den Clown, aber er spielt dir nichts vor.
Familie Rockt: Ist mit den Kindern die Zeit des Rock’n’Roll wirklich vorbei?
Clemens Haipl: Habe ich erst schon gedacht. Aber ist nicht wirklich so. Dass ich nicht mehr so viel weggehe wie mit 35, ist klar, hängt aber nicht mit den Kindern zusammen. Wir sind vorher auch nicht mehr so viel um die Häuser gezogen. Der einzige Grund, warum man zwischen 20 und 30 weggeht, ist der Rock’n’Roll und weil man wen kennenlernen möchte. Wenn man eine Beziehung hat, ist schon mal der Hauptgrund weg, warum man weggehen mag. Saufen kann man auch daheim (lacht). Und wenn man gewohnt ist, bis um elf zu schlafen, ist das schon eine heavy Umstellung, wenn man bis um vier Uhr ins Flex geht und um halb sieben aufstehen muss. Geht ein, zwei Mal gut.
Clemens Haipl weint nicht den Lokaltouren mit seinen Freunden nach. Was ihm aber längere Zeit im Magen lag, war das Ende der Projekt X- Live-Abende. Er ist ein Stegreif-Spezialist. Es gibt wenig, was ihn dermaßen unter Druck setzt wie vor einem Publikum zu stehen und zu performen, und gleichzeitig gibt es wenig, was er so gerne und so gut macht. Kein Skript, kein Plan, einfach ab ins kalte Wasser. Wie kann man die Leute aus der Reserve locken? Und zwar sowohl die KollegInnen auf der Bühne als auch die Menschen im Publikum. Daher waren die Live-Abende für ihn der größte Spaß. Und finanziell waren sie auch ein Gewinn. Bühnenpartner Gerald Votava wollte aber einen anderen Weg einschlagen und verhinderte damit die Weiterführung. Er war nicht mehr der Meinung, dass er künstlerisch davon profitierte.
Clemens Haipl: Und das verstehe ich sehr gut. Ich finde, dass das eine Entscheidung mit Rückgrat war, vor der ich Hochachtung habe. Aber ich hätte es sehr gerne gemacht und dachte mir damals: Jetzt nimmt er mir meine Eigentumswohnung weg! Aber so ist das Leben, und im Nachhinein kann man sich natürlich fragen: Wer weiß, wofür es gut war.
„Wir haben den Kindern Apps gezeigt – aus Notwehr“
Dürfen die Kinder fernsehen?
Clemens Haipl: Da sind wir strikt dagegen. Die schauen nur YouTube (lacht). Erst wollten wir nicht, dass sie mit elektronischem Zeugs herumspielen, aber dann haben wir ihnen recht schnell Apps gezeigt – aus Notwehr. Ich kann auch schlecht sagen, dass sie nicht iPad schauen dürfen, wenn ich dauernd iPad schaue. Vor ein paar Tagen waren wir auf der Alm auf Urlaub. Draußen gehen die Kühe vorbei und wir liegen alle im Bett und schauen Rammstein am Tablet. Das ist dann vielleicht bedenklich. Apropos Rammstein: Sie hören übrigens nur AC/DC und Motörhead und solche Musik. Daheim liegt im Wohnzimmer ein Teppich und der ist die Bühne. Da darf man dann auch nicht außerhalb performen, weil sonst fliegt man ja ins Publikum.
Welche Arbeitsroutinen hast du als kreativer Papa?
Clemens Haipl: Ich muss mich immer sehr disziplinieren. Ich arbeite seit einem Jahr an einem Theaterstück oder besser: Ich schieb´s seit einem halben Jahr auf. Ich hab keinen Abgabetermin und da tu ich mir fürchterlich schwer.
Du prokrastinierst?
Clemens Haipl: Heißt prokrastinieren sowas wie stagnieren?
Das heißt, dass man die Arbeit permanent aufschiebt und immer was vermeintlich Wichtigeres zu tun findet.
Clemens Haipl: Ein Kollege hat mir letztens gesagt, dass er prokrastiniert, aber ich hab mich nicht getraut zu fragen, was das heißt. Bei dir trau ich mich komischerweise.
Das Wort wurde schon von der WHO als Krankheit gelistet.
Clemens Haipl: Du meinst, ich bin ein Volltrottel, weil ich es nicht gewusst hab?(lacht) Nein, natürlich nicht! Das Wort stammt aus dem Englischen und hat mit der Internetgesellschaft enormen Aufwind erfahren. Wer am Computer arbeitet, kann natürlich wunderbar prokrastinieren. Es kommt wahrscheinlich erst in den nächsten Jahren nach Österreich, wenn soziale Medien hier endlich Fuß fassen.
Clemens Haipls Frau Verena sitzt mit einer Freundin bei uns am Tisch und hört nur mit einem halben Ohr mit, was wir so reden. Sie wirkt sehr unkompliziert und gleichzeitig schlagfertig. Kennengelernt haben die beiden sich nach einem Auftritt von Clemens, zu dem sie sich ohne Eintritt zu zahlen hineingeschwindelt hatte. Gerade lag eine schwierige Beziehung hinter ihr und Clemens sollte ihr neuer Schwarm werden, weil sie ihn „eh nicht bekommen konnte“. Dachte sie jedenfalls damals. Sie sind jetzt seit 12 Jahren zusammen. Sie ist Sonder- und Heilpädagogin und arbeitet als Kunstvermittlerin.
„Ich sollte die Kinder öfters ins Bett bringen“
Bist du emanzipiert?
Clemens Haipl: Ich weiß nicht. Mehr als mein Vater auf jeden Fall. Ich sollte die Kinder öfter ins Bett bringen. Wirklich aufteilen kann man das nur, wenn beide gleich viel Geld verdienen. Und ein wenig konservativ bin ich vielleicht schon, weil ich annehme, dass die ersten Monate schon die Mutter mehr für die Kinder tun kann, vor allem, wenn sie stillt. Und ich kann nicht volle Wäsch´ das Geld heimbringen und dann gleich viel für die Kinder da sein. (zu Verena) Bist du zufrieden mit mir? (Sie nickt gütig) Ich koch zum Beispiel besser.
Verena: Ja, das stimmt.
Clemens Haipl: Und die Wäsche darf ich nicht machen. Weil ich unterscheide nur zwischen weiß und nicht weiß.
Verena: Aber es gibt auch Seide und Wolle und vieles mehr. (lacht)
Clemens Haipl: Ich bin mehr zu Hause als die meisten Väter in meinem Alter. Ich kann sie auch in den Kindergarten bringen und abholen. Aber die meiste Hack’n hat schon sie.
Aber wenn der Kleine jetzt in den Kindergarten kommt, verändert sich wieder einiges?
Clemens Haipl: Ja, dann können wir endlich Vormittagspartys schmeißen.
„Ich bin halt manchmal ein Grantscherb’n“
Was ist dir peinlich?
Clemens Haipl: Einmal habe ich im Haus rumgestritten mit einer Frau, weil ihr Hund immer so laut bellt und im Gang herumrennt, und da kommt ein Typ daher und sieht mich herumstänkern und sagt: „Ah, der Haipl, das kommt dann wohl in der nächsten Projekt X-Folge.“ Oh Gott, wie bieder! – dachte ich. Aber ich bin halt manchmal ein Grantscherb’n, und wenn ich dann nicht so nett und freundlich rüberkomme, wie ich gerne in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde, ist mir das fürchterlich peinlich.
Du hast relativ spät Kinder bekommen. Warum?
Clemens Haipl: Ich wollte lange keine Kinder haben. Bis 30 sowieso nicht.
„Ich war überzeugt, kein guter Papa zu werden“
Hast du Angst gehabt, kein guter Papa zu werden?
Clemens Haipl: Ich hatte keine Angst. Ich war überzeugt davon. Ich kann ja eins und eins zusammenzählen. Dass die meisten Männer so werden wie ihre Väter und die meisten Frauen wie ihre Mütter – bei uns war halt auch nicht alles super und das wollte ich nicht wiederholen. Ich habe gewusst, was für Neurosen ich habe, und die wollte ich nicht weitergeben.
Na super, und jetzt hast du doch zwei Kinder bekommen!
Clemens Haipl: (lacht) Ich hab das dann auf kindisch gemacht. In der Art: Du siehst mich nicht. Also, wir haben mit der Verhütung aufgehört, ohne konkret ein Kind zu planen.
Verdrängt aber gleichzeitig gewusst, dass es kommen wird.
Clemens Haipl: Genau. Ein drittes scheitert nur an der Wohnung. Wir haben nämlich nur neun Stockwerke zu je 390 m² und im Wohnzimmer kann man nicht einmal Fußball spielen. Nein, wir haben 93 m², Altbauten verlieren meistens in den Gängen viele Quadratmeter und sind daher nicht sehr platzeffizient. Außerdem verdiene ich so unregelmäßig. Manchmal gut und dann wieder nicht. Ich bin das zwar schon gewohnt, es geht immer wieder bergauf und rein mathematisch rechne ich schon damit, dass ich überlebe, aber ein wenig unsicher ist es schon.
„Ich bin aufgewachsen wie in einem Designmuseum“
Wie bist du selber aufgewachsen?
Clemens Haipl: Papa war Architekt und ich bin aufgewachsen wie in einem Designmuseum. Ich habe mit meinen Bruder ein Zimmer geteilt und da standen Möbel, die 40.000 Schilling gekostet haben. Sehr schön, aber wir durften darauf nicht rumhüpfen. Ich kann sehr stolz sagen, wir haben nur Möbel von Leiner und Ikea zu Hause, und die Kinder dürfen sich – mit ein paar Einschränkungen – aufführen, wie sie wollen. Ist mir vollkommen wurscht. Wir hatten einen Glastisch bei uns und mit den Kindern ist er gleich rausgeflogen, weil die Tapser überall waren und außerdem können sie sich arg den Kopf daran anhauen.
Letzte Woche hat der eineinhalbjährige Paul Verenas teure Diorbrille kaputtgemacht. Als Ersatz kaufte Clemens Sonnenbrillen beim Hofer um € 4,90. Schauen auch super aus. Clemens wirkt sehr mamig – er hat die Kinder immer im Auge, rennt ihnen hinterher, reicht ihnen das Wasser, busserlt sie ab und herzt sie. Er war bei den Geburten dabei und ist seither ein anwesender Vater. Er wirkt sehr selbstkritisch und nimmt seine Paparolle nicht auf die leichte Schulter.
Warum heißen eure Kinder, wie sie heißen?
Clemens Haipl: Der Große heißt Jakob, weil ich während der Schwangerschaft quasi am Jakobsweg war. Ich bin mit meinem roten Cabrio alle Ortschaften abgefahren, die St. Jakob heißen. Also war klar, der Bub wird Jakob heißen. Und der Kleine ist auf die Welt gekommen und sah aus wie Paul der Maulwurf und daher sein Name.
Hast du schon mal Angst um die Kleinen gehabt?
Clemens Haipl: Letztens hat der Paul einen Hocker zum Fenster geschoben und ist auf das Fensterbrett geklettert. Das Fenster war zum Glück nur gekippt, aber das war wirklich nicht lustig zu sehen.
„Im Straßenverkehr wird nicht gescherzt“
Gibt es Momente, wo du strenger bist?
Clemens Haipl: Im Straßenverkehr wird wenig gescherzt. Und bei offenen Fenstern und beim Essen. Oder: Angenommen, dass beide Kinder im Elternbett einschlafen wollen und das größere Kind macht Wirbel und ich sag ihm: Entweder du legst dich jetzt daher und schläfst, oder du gehst in dein Zimmer, aber es macht immer noch deppert weiter, dann könnte ich ihn in sein Zimmer stecken und würde sagen: Jetzt gehst mal nachdenken. Das war gestern so. Meistens, wenn ich streng bin, lacht er. Und das finde ich auch ok, weil ich bin stolz darauf, dass er keine Angst vor mir hat. Aber wenn alle müde sind und genervt und ich ihm mehrmals sag’, dass er den Jüngeren nicht stören soll, dann muss ich mal ernst werden.
Aber damit nimmst du ihn ja auch ernst. Es wäre ja nicht authentisch und angemessen vorzuspielen, dass du das lustig findest.
Clemens Haipl: Ja, und wenn er fünfmal das Essen runterhaut, hebe ich es auf, aber zwölfmal mache ich es nicht.
„Manchmal bin ich selber kindisch“
Viele Eltern haben Angst, diese negativen Gefühle zu zeigen, weil wir die autoritäre Erziehung miterlebt haben und jetzt liebe Eltern sein wollen. Aber manchmal ärgern wir uns eben und das kann man auch zeigen. Die Stimmung wird ja nicht besser, wenn wir uns verstellen.
Clemens Haipl: Das sind auch diese Ängste, warum ich lange keine Kinder haben wollte. Ich kenne das Autoritäre sehr gut. Und es tut mir halt weh, wenn er dann schreit und traurig ist. Aber vor dem Einschlafen gestern haben wir uns dann noch versöhnt.
Verena: Ich will meine Kinder auch ernst nehmen. Ich mag das nicht, wenn Erwachsene von oben herab mit Kindern reden. Aber es gibt natürlich Prinzipien wie zum Beispiel beim Essen. Wenn der Jakob in der Früh kommt und Haribo essen will, geht das gar nicht.
Clemens Haipl: Ich lerne es auszuhalten, dass sie manchmal schreien und weinen, weil sie was wollen. Sie probieren es eben aus. Eh klar. Und manchmal bin ich selber kindisch. Als ich zu Weihnachten aus dem Spielzeuggeschäft gekommen bin, mit Playmobil-Schiff und Lego-Zoo und Lego-Flugzeug, und hab mich gefreut wie ein Kind. Ich wollte das selber als Kind haben und hab das nie bekommen. Verena hat dann gesagt: „Das muss zwischen Weihnachten und Ostern aufgeteilt werden.“ Recht hat sie. Meine Frau ist nämlich leiwand. •
Interview: Patrice Fuchs
Fotos: Elsa Mährenbach
Hier geht’s zur Familie Rockt TV Show mit Clemens Haipl – Sehr lustig und lieb!
www.clemenshaipl.at
Depeche Ambros das Musikprojekt von und mit Clemens Haipl
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