Boris Bukowski sang seine Hits auf Deutsch, aber typisch österreichisch kamen sie nicht rüber. „Du bist wie Kokain“ oder „Trag meine Liebe wie einen Mantel“ hatten internationalen Touch. Boris Bukowski ist heute Opa und macht immer noch Musik. Gerne mit Vertretern einer jüngeren Musikergeneration.
Es sitzt uns kein Sentimentaler gegenüber. Eher ein gesunder, scharfsinniger, ausgeglichener Mann, der fest in der Gegenwart verankert ist. Seine Tochter Nina hat internationales Marketing studiert und ist gerade in Karenz. Das „Schnufi“ heißt in echt Sam und ist vierzehn Monate alt. Sams Kindheit unterscheidet sich stark von der des Opas.
Boris Bukowski: Ich bin am Land aufgewachsen. Mein Vater war Rechtsanwalt und meine Mutter war Lehrerin. Wir haben bei Fürstenfeld die Hälfte eines Bauernhofs bewohnt, die wir von einem Bauern gemietet haben. Meine Eltern haben in Ilz gearbeitet und viele Möglichkeiten hat es da nicht gegeben.
Familie Rockt: Bist du arm aufgewachsen?
Boris Bukowski: Wir waren sehr arm, aber wir haben uns immer satt essen können. Es gab aber sonst nichts. Es war schon sehr schwer für meine Mutter. Mein Vater war auch in Gefangenschaft, und dann hat meine Mutter als Lehrerin drei Kinder zu erziehen gehabt. Sie war schon resolut aber auch sehr liebevoll. Die Amerikaner haben Pakete mit tausenden Ballen Stoff geschickt. Clothes wurde der Stoff genannt. Klot hat man gesagt. Bei uns hat daher jeder eine Klothose getragen. Das war eine kurze schwarze Hose.
Das war wie eine Uniform? Wie sind deine Eltern aufgewachsen?
Boris Bukowski: Mein Vater ist 1890 geboren. Er wurde sehr streng und altmodisch erzogen. Meine Mutter auch, richtig gemein, aber sie hat sich befreien können von dieser autoritären Erziehung.
Und wo war der Vater in Gefangenschaft?
Boris Bukowski: Mein Vater war Ortsgruppenleiter bei der NSDAP. Ich hab mich immer gefragt, wie er da reinkommen konnte. Meine Eltern wollten nicht gerne über diese Zeit reden, aber zumindest hab ich erfahren, dass er Ortsgruppenleiter in Güssing war. Und sehr spät – das muss nach dem Sommer 1944 gewesen sein, weil da die Normandiefront eröffnet wurde – bekam er den Befehl, alle Juden des Ortes aufzurufen, innerhalb der nächsten fünf Stunden zur Deportation bereit zustehen. Und da hat er gesagt: Er kennt die drei Judenfamilien des Ortes gut und könne das nicht machen. Er hat den Befehl nicht befolgt. Daraufhin haben sie ihn abgesetzt und in die Normandie an die Front geschickt.
An dieser Geschichte kann man sehen, dass man nicht gleich umgebracht wurde, wenn man einen Befehl nicht befolgt hat.
Boris Bukowski: Das stimmt. Ich habe das Gefühl gehabt, er war danach total verwirrt und erschüttert. Ich hab einmal gesehen, dass er ein Buch liest mit dem Titel „Das haben wir damals nicht gewusst“. Also anscheinend hat es ihm selber schwer zu schaffen gemacht, dass er sich erst so sehr spät von dieser Ideologie lösen konnte.
Boris wohnt spartanisch, modern und hell an der Wiener Stadtgrenze. Seine Lieblingsbeschäftigung ist die Arbeit. Damit ist natürlich Musik machen gemeint. Seine Tochter und seinen Enkel sieht er mindestens einmal die Woche.
Hört ihr zwei ähnliche Musik?
Nina: Für mich ist Musik nicht so wichtig wie für ihn. Aber wir können uns schon einigen. Wir hören beide zum Beispiel gern Red Hot Chili Peppers. Auch für meine Mama spielt Musik eine wichtige Rolle. Nicht professionell. Sie kommt aus dem Iran, und da ist es Brauch, bei Feiern viel zu singen. Sie hat eine sehr schöne Stimme und gutes Taktgefühl.
Boris und Ninas Mutter sind nicht mehr zusammen. Die Kosmetikerin und er trennten sich, als Nina ein Jahr alt war. Boris wohnte damals in Graz und Nina mit ihrer Mutter in Wien. Als Nina drei Jahre alt war, zog sie mit ihrer Mutter nach Kalifornien. Vater und Tochter sahen sich dann noch weniger – vor allem noch in den Sommermonaten. Erst als Nina elf Jahre alt war, kam sie mit ihrer Mutter zurück nach Österreich.
Wie war die erste Zeit als Papa?
Boris Bukowski: Ich habe das nicht gesucht. Das war nicht geplant. Aber als sie da war, war das großartig. Sie war aber auch ein ganz entzückendes Kind!
So ein Glück! Sonst wäre es nicht so großartig gewesen, gell? (Lachen) Man sagt ja den Austropoppern nicht nach, die besten Väter gewesen zu sein. Vielleicht ist das auch schwierig, wenn man immer auf Tour ist?
Boris Bukowski: Ich war nie auf Tour und ich kenne auch nur wenige Austropopper, die viel auf Tour waren. Die größten sind STS und die sind vielleicht ein Monat auf Tour – alle drei Jahre.
Die anderen waren vielleicht mehr auf Gasthaus-Tour? (Lachen) Hast du dir einmal Sorgen um deine Tochter gemacht?
Boris Bukowski: Selbstverständlich. Schon eine leicht mögliche Änderung des Lebensweges meiner Ex, beispielsweise lernt sie einen neuen Partner kennen und der will den Sommer nicht in Wien verbringen: Wann sehe ich dann meine Tochter wieder? Das war eine große Sorge! Ich habe sie sowieso sehr selten gesehen, und sie ist mir total abgegangen.
Und du, Nina? Kannst du dich daran erinnern?
Nina: Ich habe mich immer gefreut auf die Reise zu ihm. Und es war immer ganz schlimm zurückzufliegen. Die Trennungen waren sehr schwer am Flughafen. Sehr emotional. Ich erinnere mich, ich hatte einen Polster von ihm und der war mein Ersatz.
Boris Bukowski: Da war mein Foto drauf.
Nina: Wir sind einmal umgezogen und ich konnte den Polster nicht finden. Ich bin ausgeflippt. Ich habe so viel geweint und gesagt: Ich kann nicht schlafen ohne diesen Polster! Irgendwo haben wir ihn dann gefunden.
Woran krankt der österreichische Pop?
Boris Bukowski: 1995 wurde auf Ö3 noch zu 26 % österreichische Musik gespielt. Heute sind es 6 %. Das ist ein versteckter Boykott. Für mich und jene, die vorher durchgestartet sind, geht es sich immer noch aus. Wir können davon leben. Aber es kann niemand Neuer dazukommen. Seit 20 Jahren gibt es keinen einzigen neuen Star – außer Christina Stürmer. In 20 Jahren! Das liegt daran, dass zeitgenössische Popmusik hier in Österreich keinen Stellenwert mehr hat.
Aber das sagen die Leute schon seit Jahren. Gibt es keinen Diskurs?
Boris Bukowski: Die ORF-Chefs sagen: Ö3 soll die Cash-Cow sein, die die ganzen Nachrichtensendungen etc. finanziert. Und das geht am besten über Hits von Major-Plattenkonzernen, denken die. So lange Ö3 das Geld heimbringt, mischt man sich dort nicht ein.
Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF wird also nicht erfüllt, wenn es um österreichische Popkultur geht. Geld heißt die Ausrede. Interne ineffiziente Strukturen im ORF werden aber munter weiterfinanziert.
Wäre mit Popmusik nicht auch Geld zu machen?
Boris Bukowski: In vergleichbar großen Ländern wie Finnland oder Schweden gibt es das. Da ist Popmusik ein Exportgut. Bei uns machen sie sinnlose AMS-Kurse, die auch Geld kosten, um die Quote zu senken – reine Augenauswischerei. Dabei müsste man bei uns die MusikerInnen nur machen lassen und hätte weniger Arbeitslose und mehr Einkommenssteuer in den Kassen. Das betrifft auch VeranstalterInnen, VerlegerInnen, Musikverleihe etc.
Wir könnten auch mehr und modernere Promis brauchen, oder?
Boris Bukowski: Jeder Promi, der im Ausland bekannt ist, ist ein Geschenk an die Tourismusbranche. Dafür muss Österreich dann gar nichts extra zahlen. Ich verstehe nicht, warum die Politiker das nicht sehen.
Hast du nie Angst gehabt, dass dein Song „Du bist wie Kokain“ bei deiner Tochter Erklärungsbedarf auslöst, wenn sie ihn hört – vor allem als Teenager?
Boris Bukowski: Ich habe es gar nicht erst versucht gehabt, als ich den Song geschrieben habe. Ich dachte mir nur: Das könnte das heißeste Rauschgift sein, das es gibt. Man könnte in einer Beziehung von jemand so abhängig werden wie von dem heißesten Rauschgift der Welt – wovon ich jedenfalls gedacht habe, dass es das ist.
Gab es später einen Reality Check?
Boris Bukowski: Später habe ich es dann auch probiert. Oft, aber nicht exzessiv. Ich bin sehr demütig im Umgang mit Drogen. Ich habe mir damals auch strikt auferlegt: Nie mehr als drei Lines pro Abend und niemals öfter als einmal pro Woche. Aber ich hab dann festgestellt, es tritt nie ein, was man sich erhofft. Man sitzt dann um vier Uhr in der Früh mit drei Tschick im Aschenbecher und in jeder Hand ein Glaserl da und hat von nichts genug und es tritt nicht ein, was man sich davon versprochen hat. Ich sehe heute, dass das ein Scheiß ist.
Den Konsum so strikt regulieren, heißt sich nicht selbst belügen, oder?
Boris Bukowski: Man sollte ehrlich bleiben, ja. Auch der Nina habe ich immer erzählt, wie es mir geht. „Ich habe gestern wieder geraucht wie ein Esel,“ und so weiter. Wenn ich ein paar Glaserl trinke, kommt die Lust auf Rauchen. Aber es tut mir nicht gut. Nina hingegen raucht sich maximal an ihrem Geburtstag eine an…
Nina: Jedenfalls nicht viel öfter – haha.
Wie würdet ihr eure Vater-Tochter-Beziehung beschreiben?
Boris Bukowski: Ein Kind ist eine eigene Persönlichkeit. Meine Aufgabe ist es nicht, ihr zu sagen, was sie tun soll. Wenn sie auf dem Weg ist, einen Blödsinn zu machen, kann ich ihr einen Rat geben, aber den muss sie natürlich nicht befolgen.
Nina: Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass wir nicht eine typische Vater-Tochter-Beziehung haben, sondern eher freundschaftlich.
Boris Bukowski: Sie gibt mir auch liebevolle Ratschläge. Wenn ich Beziehungsprobleme hatte, konnte ich das auch mit ihr besprechen. Sie hatte immer Verständnis für beide Seiten und hat das dann moderiert. Das fand ich immer gut.
Wenn man mit jemanden ein Kind hat und nur kurz zusammen war, bleibt das oft lebenslang eine vertraute Beziehung, oder?
Boris Bukowski: Selbstverständlich. Ninas Mutter und ich sind sehr freundschaftlich verbunden. Aber auch wenn es mal Probleme gab, dann haben wir das nicht verheimlicht. Ich habe jedoch Nina immer klar gemacht, dass ich meine Ex trotzdem respektierte. Ich habe sie damals schließlich auch selbst gewählt und wenn ich sie klein mache, mache ich auch Nina klein.
Wir verlassen das Haus am Stadtrand von Wien und ihre gemeinsame Qualitätszeit kann endlich anfangen. Die beiden gehen mit einer ruhigen, liebevollen Selbstverständlichkeit miteinander um, wie man sie wahrscheinlich nicht in so vielen Wiener Haushalten erlebt. •
Interview: Patrice Fuchs
Fotos: Tanja Schalling
Willst du mehr über Boris Bokuwskis aufregendes Leben erfahren? In seinem neuen Buch „Unter bunten Hunden“ findest du Geschichten über Namensvetter Charles, Falco und viele andere. Ein Stück österreichischer Popgeschichte!
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