Wir haben letzte Woche Schuhe aussortiert. Viele landeten auf dem „Wegwerf-Haufen“. Darunter ein altes Paar von Mickes Opa. Ein gutes altes Paar Budapester. Die letzten Jahre hab vor allem ich sie getragen. Sie sind sehr sehr komfortabel. Geräumig, weich und doch „ordentlich“. Mittlerweile sind sie aber ordentlich abgegangen.
Ihre Zeit ist um, dachten wir. Aber dann hab ich mich doch gefragt, ob unser Schuster Benny nicht noch was für die Schuhe tun könnte.
Wenn ich etwas gefunden habe, das für mich gut funktioniert, dann bleib ich dabei. Als ich 18 Jahre alt war, kaufte ich in Paris ein Parfüm von Guerlain (Jardin De Bagatelle). Ich habe versucht mir ein Prada-Parfum anzugewöhnen, aber es wirkt wie ein Eindringling. Jardin De Bagatelle ist daher bis heute das einzige Parfüm, das ich benutze. Ich bin Parfüm-Monogamistin.
Letztes Jahr hab ich von meiner Schwester ein Lippenstift von Dior in der perfekten Farbe bekommen (Nr. 999) und ich weiß, dass ich bis an mein Lebensende keinen anderen Lippenstift mehr kaufen werde. Er ist einfach mein Lippenstift. Und diese Schuhe sind es eigentlich auch. Sie sind nur leider am Eingehen.
Und nachdem ich letztens Geburtstag hatte, entschied ich, dass Micke Opas Schuhe ein zweites Leben erhalten sollten. Warum neue Schuhe kaufen, wenn ich eigentlich schon die perfekten habe?
Benny befand auch, dass die Schuhe ein Makeover wert sind. Die gesamte hintere Partie musste erneuert und vorne eine längere Naht ausgebessert werden. 100€ kostet das alles. Es müssen mehrere Schichten geleimt werden, die dann jeweils mehrere Tage trocknen müssen. Daher dauert die Reparation knapp zwei Wochen. Massschuhe herzustellen, kann bis zu 6 Monaten dauern, sagt er. Allein den Leisten herzustellen dauert ewig. Man kann nicht einen Leisten für mehrere Kunden verwenden. Jeder Mensch kriegt einen eigenen Leisten.
Eine neue Sohle sollten sie auch bekommen. Es gibt sehr große Unterschiede beim Sohlenmaterial. Wenn das Leder zb lange gegerbt wurde hält es später auch länger. Und wenn auf der Sohle „Vibram“ steht, kann man sich sicher sein, dass es ein guter Schuh ist. Denn eine Vibram-Sohle ist eine besonders gute Sohle, die auch mehr kostet. Kein Schuster klebt eine Vibram-Sohle auf einen Schuh, der ihn nix wert ist.
Wie jeder Schuster, hat Benny eine Poliermaschine, die altes raues, müdes Leder in glänzend glattes kräftiges Leder verwandelt. Daheim kann man mit bloßem Polieren diesen Effekt nicht erreichen.
Schuhe zum Schuster tragen – aber wie lang noch?
Früher gab es in jedem Dorf 3 Schuster. Heute gehen immer mehr in Pension und finden keine Nachfolger. Bald bleiben nur die orthopädischen Schuster übrig. Aber die kosten das Dreifache, wie herkömmliche Schuster. Wie sollen wir klimasmart Schuhe kaufen, wenn wir keine Schuster mehr haben?
Wir kaufen viel zu viele Schuhe. Oft günstige Exemplare, die sich dann in unseren Kästen türmen. Sie gefallen uns nur kurz oder sie drücken beim Gehen. Warum nicht statt dessen weniger und bessere Schuhe kaufen, auf sie aufpassen, sie pflegen und alle paar Jahre zum Schuster tragen?
Schuhe putzen
Schuhe putzen ist auch ein Kinderspiel. Erst bürstet man sie ab und befreit sie vom ärgsten Staub und Schmutz. Dann schmiert man mit einem alten Fetzen die Schuhcreme drauf und läßt sie etwas einwirken. Schlussendlich „wichst“ man mit einer weichen Schuhbürste über das Leder. Sehr schnell und nicht zu fest. Dann glänzen sie wie neu und halten Wind und Wetter aus.
Heute habe ich meine „neuen“ Schuhe abgeholt. Sie sehen wirklich fast wie neu aus. Benny meint, sie halten jetzt 10 Jahre. Dazu habe ich mir passend zum Herbst ein paar Winterstrumpfhosen mit Cashmere-Anteil gekauft. Ich liebe Strumpfhosen. Sie geben einem so ein geborgenes und freies Gefühl.
Ein Kommentar
Guten Tag, ich habe gerade diesen Schuh-Bericht gelesen, es ist so wunderbar, dass es offensichtlich noch Leute gibt, die zu handgenähten, guten Schuhen ein ähnliches Verhältnis habe wie ich. Habe zwar relativ viele Schuhe, aber alle nur handgrmacht und ich werde sie bis zum Ende meines Lebens tragen, bin 35, ich gebe beim Schuhmacher mehr Geld aus, als andere Leute in Schuhgeschäften. Das ist Kultur, das ist Stil, das kann man nicht lernen, das hat man, oder man hat es nicht, da Sie Österreicherin sind, kennen Die mit Sicherheit die Werkstätten Scheer, Ludwig Reiter, Petkov oder Materna in Wien. Das ist unsere europäische Kultur!! Lg aus Düsseldorf, Max Lücke