In welchem Beruf ist es erlaubt über Wochen hindurch 24 Stunden am Tag durchzuarbeiten? Für die meistens Menschen wäre das nicht vorstellbar, aber viele von uns nehmen solche Dienst selbst in Anspruch. Wie sonst könnten unsere Alten daheim versorgt werden, wenn wir arbeiten gehen und uns um unsere Kinder kümmern?
Unsere 24h Betreuerinnen kommen fast ausschließlich aus unseren östlichen Nachbarländer. Für sie ist dieser Job eine Chance auf ein besseres Leben – vor allem für ihre Kinder. Die Kinder sollen es einmal besser haben. Dafür gehen die Mütter arbeiten. Non Stop.
Da die 24 Stunden Betreuerinnen nicht angestellt, sondern als EPUs beschäftigt sind, gelten für sie keine Überstundenregelungen oder Kollektivabsprachen. Sie bekommen im Schnitt brutto 2200€ pro Monat. Von dieser Summe bleiben ihnen nach Abzügen ca. 1400€. Aber natürlich ohne Urlaubs- Weihnachts- oder Krankengeld. Und nur dann, wenn sie von einer fair arbeitenden Agentur vermittelt werden. Und das ist nicht immer der Fall.
Altenpflege kann nicht durch Roboter erledigt werden
In den nächsten Jahren wird der Handelssektor viele Arbeitsplätze abbauen. Die ersten Ketten schliessen schon einen Teil ihrer physischen Geschäfte. Das Geschäft verlagert sich stärker ins Internet und dort werden Abläufe immer mehr automatisiert. Immobilieninvestoren werden sich überlegen müssen, was sie mit den Leerflächen anstellen werden. Die Altenpflege kann aber nicht abgebaut werden und es wird in Zukunft auch nicht weniger Pflegebedürftige geben.
In Österreich gibt es aber nicht genug gute Altersheime und viele Menschen verbinden mit Altersheimen auch heute noch Bilder von den menschenunwürdigen Anstalten, wie es sie vor 100 Jahren noch in ganz Europa gegeben hat. Auch nach Abschaffung des Pflegeregresses die meisten alten Menschen weiterhin daheim gepflegt werden, da es nur ca. 75.000 Heimplätze in Österreich gibt.
Die 24h Pflege funktioniert – meistens
Mittlerweile hat sich die 24 Stunden-Pflege etabliert und auch bewährt. Es gibt Probleme auf beiden Seiten aber im Großen und Ganzen wird das Arrangement akzeptiert und funktioniert effektiv. Es wird für viele Jahre die große Nachfrage nach Versorgung von älteren Menschen bleiben.
Wer sind die 24h Betreuerinnen?
Sie kommen vor allem aus der Tschechei, Ungarn und aus Rumänien. Mütter, die gerne die Bürde auf sich nehmen wochenlang nicht daheim zu sein, um bedürftige alte Menschen zu pflegen und ihren eigenen Kindern dadurch eine Ausbildung finanzieren zu können.
Vidaflex hat sich mit 24h Pflegerinnen, Betreiberinnen von fair arbeitenden Agenturen und Fahrern von 24h Stunden Betreuerinnen getroffen. Die Frauen müssen regelmässig aus ihrem Heimatland nach Österreich pendeln. Daraus ist ein eigner Berufszweig der 24h Betreuerinnen-Busfahrer erwachsen. Manche arbeiten selbstständig und bieten faire Preise an, andere arbeiten mit Agenturen zusammen und wickeln ihren Verdienst über diese ab. Den Frauen wird dann für die Fahrt Geld vom Lohn abgezogen. Wieviel, ist oft nicht transparent.
Es geht um Millionen Euro
Einige der betroffenen Frauen haben sich nun zusammengetan und versuchen ihre Kolleginnen über ihre Rechte und Pflichten in Österreich zu informieren und so zu verhindern, dass die Agenturen ihnen das Geld aus der Tasche ziehen.
Es gibt österreichische Agenturen, die zwischen 300€ und 800€ des Gehalts der Betreuerinnen einbehalten und die betroffenen Frauen nicht darüber aufklären, dass sie SVA-pflichtig sind. Im Gegenteil – ihnen wird suggeriert, dass sie angestellt wären.
Wenn, Monate später die SVA-Nachzahlung kommt, müssen die Frauen das Problem selber lösen. Diese Agenturen verdienen sehr viel Geld auf Kosten dieser Frauen.
Wie funktioniert die 24h Betreuung vor Ort?
Die meisten Familien wünschen sich Betreuerinnen für ihre zu versorgenden Verwandten, die Deutsch sprechen. Oft werden ihnen aber von den Agenturen Frauen geschickt, die kein Wort Deutsch können. Man fragt sich warum?
24h Betreuerinnen: Das passiert nicht aus Unachtsamkeit. Im Gegenteil: Manche österreichische Agenturen arbeiten mit rumänischen Keilern zusammen, die durch rumänische Dörfer fahren und gezielt nach Frauen suchen, die nicht Deutsch können. Diese bringen sie dann mit den Agenturen zusammen. Denn diese Frauen können sich in Österreich rechtlich nicht informieren. Mit ihnen kann man sozusagen machen was man will.
Ca. 60.000 Frauen aus den östlichen Nachbarländern arbeiten in Österreich als 24h Betreuerinnen. Für Agenturen eröffnet sich ein Millionengeschäft. Nicht allen ist es recht, wenn die 24h Betreuerinnen an die Öffentlichkeit gehen und erzählen, wie ihre Realität aussieht.
24h Betreuerinnen: Nein. Manche Agenturen sind nicht erfreut, wenn wir an die Öffentlichkeit gehen. Es geht um viel Geld. wir werden auch bedroht und viele von den Fahrern und Agenturbetreiberinnen, die faire Dienste anbieten, wollen unter keinen Umständen für Zeitungsartikel etc. fotografiert werden, weil sie Angst haben.
Was muss passieren, dass die 24h Pflege auf beiden Seiten besser funktioniert?
24h Betreuerinnen: Erst einmal müssen die Frauen besser beraten werden: Sie müssen wissen, dass sie abgabenpflichtig sind, dass sie aber andererseits auch Rechte haben. Sie sollten ein Konto bei einer Bank eröffnen und sich den Lohn direkt überweisen lassen. Darüberhinaus sollten die Agenturen streng sein und nur Frauen vermitteln, die tatsächlich Deutsch verstehen. Die Pflege kann nur funktionieren, wenn Menschen miteinander kommunizieren können. Außerdem würden wir es begrüßen wenn für angehende Betreuerinnen Schulungen abgehalten würden damit sie ihren Job noch besser erfüllen können.
Die Sache mit der Familienbeihilfe und ihrer Indexierung
Die Familienbeihilfe wird vielleicht indexangepasst. Dadurch erhalten die 24h Betreuerinnen statt 150€ nur mehr ca. 80€ für jedes Kind. Ist das unter 24h Pflegerinnen ein grosses Ärgernis?
24h Betreuerinnen: Ja, das ist ein grosses Thema. Viele Frauen sind sehr verärgert. Für sie ist die Familienbeihilfe ein Teil des Einkommens. Es ist nicht leicht so lange Zeit nicht daheim zu sein. Außerdem müssen die eigenen Kinder in dieser Zeit auch betreut werden. Um das alles auf sich zu nehmen, muss es einen finanziellen Anreiz geben. Viele Frauen überlegen sich jetzt ernsthaft den Job in der Pflege nicht weiterzumachen.
Ihr wollt also mehr Transparenz, gerechte Entlohnung und eine bessere Qualitätssicherung?
24h Betreuerinnen: Ja, und wir brauchen Hilfe von der österreichischen Öffentlichkeit. Es ist kontraproduktiv, wenn Leute schlecht über Rumäninnen oder Tschechinnen sprechen. Es kränkt uns, wenn man uns schlecht hinstellt. Wir müssen zusammenhalten, denn wir brauchen einander. Österreichische Familien wollen nicht, dass schlechte Menschen ihre Alten versorgen, oder? Und wir wollen nicht als solche betrachtet werden. Wir machen den Job wirklich gerne und sind gute Menschen.
Ihr wollt nicht im Schatten bleiben?
Nein und die Gewerkschaft vidaflex hilft uns für die Rechte der 24h Betreuerinnen zu kämpfen. Daher werden immer mehr Betreuerinnen vidaflex-Mitglieder. Ich bin überzeugt, dass sich die Verhältnisse in Zukunft klären werden, wenn wir bessere Arbeitsstrukturen, einen besseren Informationsfluss aufbauen und sichtbarer werden.